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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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machten.

4.
    Die nächsten Wochen vergingen in gemächlicher Eintönigkeit, die ich jedoch um so mehr schätzte, als ich immer noch in der Hoffnung lebte, jeder kommende Tag würde mir Jerg wiederbringen. Obwohl ich seit seiner Flucht nicht das kleinste Lebenszeichen von ihm bekommen hatte, war ich dennoch zutiefst davon überzeugt, daß es ihm gut ging. Morgen für Morgen stand ich beschwingt auf, und mein erster Gedanke galt Jerg. Wenn ich mir nur einmal in Ruhe gestattet hätte nachzudenken, hätte mir eigentlich klar werden müssen, daß ich meine Hoffnung verschwendete. Denn was hatte sich schon zum besseren gewendet seit Jergs Flucht? Gar nichts. Rein gar nichts. Noch immer verbreiteten Herzog Ulrichs Schergen Angst und Schrecken im ganzen Land. Wie sollteJerg zurückkommen, wo die Menschen es noch nicht einmal wagten, den Namen des Armen Konrad auch nur zu flüstern? Rühmte sich in einem Wirtshaus dann und wann einmal jemand seiner früheren Mitgliedschaft bei den Aufständischen, was nur unter dem Einfluß von zu vielen Krügen Bier geschah, so konnte man ihn am nächsten Tag in Eisen gelegt auf dem Dorfplatz begaffen. Waren der Dorfbüttel oder die von beflissenen Mitmenschen sofort informierten Soldaten friedlich gestimmt, hatte der arme Tropf dabei wenigstens noch seine Zunge im Maul. Weniger glücklichen Gesellen wurde diese ohne viel Federlesens für seine ›Schundreden‹ herausgeschnitten, wiederum anderen fehlten kurze Zeit nach der Festnahme einzelne Finger, die Nase oder gleich die ganze Hand. Zimperlich waren die Soldaten in keinem Fall. Und konnte eine Mitgliedschaft beim Armen Konrad schließlich doch nicht nachgewiesen werden, so erfanden sie einfach einen Diebstahl, eine Schmährede oder sonstige Vergehen.
    Es muß Anfang Mai gewesen sein, als Asa und ich nach einem arbeitsamen Vormittag kurzerhand beschlossen, die warme Frühlingssonne für einen Spaziergang zu nutzen und dabei ein paar Büschel Schafgarbe einzusammeln. Vor die Haustür gehängt, sollte diese Pflanze die Bewohner vor der Pest schützen. »Schaden tut’s auf alle Fälle nicht«, meinte Asa ganz nüchtern auf meine Frage, woher sie denn so genau wisse, welches Kraut wogegen wirke. Doch im Augenblick war mir nach Kräuterrezepten eh nicht zumute, dazu hatte es mir der sonnige Maitag viel zu sehr angetan! Das Grün der Gräser war noch satt und saftig und bildete einen kräftigen Kontrast zu dem fast weißen Himmel. Auf einer der kleineren Wiesen am Rande der Lauter erblickte ich einige buntangestrichene Zigeunerwagen, die sich wie dicke Farbtupfer abhoben. Zwischen den Wagen brannte jedoch kein einziges Feuer, und Kinder sah ich auch nirgendwo. Im nächsten Augenblick hatte ich die Zigeuner auch schon wiedervergessen. Während Asa und ich durch die kniehohen, mit Blumen übersäten Wiesen gingen, hätte ich lauthals singen können, so zufrieden und glücklich machte mich die warme Maisonne. Dennoch entging mir nicht, daß Asa erstaunlich still war. Als ich sie nach dem Grund fragte, entgegnete sie nach langem Zögern:
    »Ich weiß nicht, ob es recht ist, wenn ich es dir erzähle … Du bist bisher von den groben Schattenseiten des Lebens verschont worden. Und das soll auch so bleiben. Nein, wehr nicht ab! Das mit Jerg ist schrecklich, ich weiß. Aber dein Mann lebt – und das ist doch viel mehr, als andere Weiber von ihren Männern sagen können.« Im Vorbeigehen zupfte sie ein paar Blätter junge Pfefferminze ab und atmete genüßlich den zarten Duft ein, der zwischen ihren Fingern von dem zerriebenen Grün ausging. Geduldig wartete ich darauf, daß Asa fortfuhr. Es war, als hätte sie sich schließlich einen Ruck gegeben, denn als sie nun sprach, lag keine Spur von Zögerlichkeit mehr in ihrer Stimme. Im Gegenteil, ich hatte das Gefühl, als wäre Asa erleichtert darüber, ihre innersten Gedanken mit einem anderen Menschen teilen zu können.
    »Nun gut, ich werd’ dir sagen, was mich bedrückt: Schon ganz früh heute morgen habe ich den Uhu gehört.« Beschwörend blickte sie mich an. »Der Schrei des Uhu – das ist der Todesruf, verstehst du nicht? Noch heute wird jemand sterben müssen …«
    »Asa …« Hilflos flüsterte ich ihren Namen. Doch Asa schien mich gar nicht mehr zu bemerken. Atemlos sprach sie weiter:
    »Ich bin gleich aus dem Haus gerannt, als ich den Uhu hörte, aber ich sah ihn nirgends sitzen. Wie hätte ich ihn da vertreiben sollen? Eine ganze Handvoll Steine hatte ich schon aufgehoben. Ich hätte sie

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