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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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ihren Retter verstohlen von der Seite her an. Er war viel größer als sie, mit dunklem Teint und dunklen Augen, schwarze Locken ringelten sich um seine Stirn. Ihr fiel auf, dass er Wimpern wie ein Mädchen hatte, lang, dicht und gebogen, einen ziemlich großen Mund und große Ohren. Er guckte auf sie herab und schüttelte grinsend den Kopf. »O Adonai!«, sagte er, »du siehst aus wie eine Schlammratte.« In diesem Augenblick verliebte sich Sara unsterblich in ihn.

Irland, Kloster Clonmacnoise, Sommer 1398
    Mie ein breites silbernes Band schlängelte sich der Fluss durch die weite Ebene. An seinen Ufern hatten sich schon seit frühester Zeit Menschen niedergelassen, Fischer und Ackerbauern, die der rauen Natur auf der Insel ihr täglich Brot abtrotzten. Und vor mehr als achthundert Jahren hatte ein junger Mönch namens Ciaran, Sohn eines einfachen Wagenknechts aus Roscommon, auf der Kuppe eines flachen Hügels an der Flussbiegung ein Kloster gegründet. Bald darauf war er an der Pest gestorben, und man begann, den vom Glauben Beseelten als Heiligen zu verehren. Das klösterliche Gemeinwesen am Shannon blühte von da an, und sein Ruf als Stätte der Kultur und christlichen Gelehrsamkeit drang weit über die Grenzen Irlands hinaus. Es wurde zur erwählten Grablege vieler irischer Könige. Und aus ganz Europa strömten junge Scholaren nach Clonmacnoise, um dort, im Zentrum der Grünen Insel, zu lernen und ein heiligmäßiges Leben zu führen. Jetzt, gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts, hatte die Klosteranlage ihre Blütezeit hinter sich. Sie bestand noch aus einer kleinen Kathedrale, etlichen verstreut liegenden Kapellen, den weitläufigen Wohnanlagen und Werkstätten der Mönche, einem Friedhof und einem hohen Rundturm, den man wegen der wiederholten Wikinger- und Normannenangriffe in früheren Zeiten als Fluchtmöglichkeit errichtet hatte. Clonmacnoise war zu einem Ort nahezu greifbarer Ruhe geworden, auf grünsamtenen Flusswiesen, nur erreichbar durch eine Bootsfahrt über den Shannon oder einen Weg durchs Moor.

    Der dunkelhaarige Junge und der alte Mönch gingen zusammen auf einem Pfad in Richtung Fluss, vorbei an der hübschen kleinen Nonnenkirche, die außerhalb des niedrigen Mauerrings lag, der das Kloster begrenzte. Freundlich grüßten sie ein Grüppchen verschleierter Frauen, die gerade aus dem Portal traten, und hielten dann geradewegs auf die Stelle am Ufer zu, wo die schönsten Binsen wuchsen. Das strohige Mark der Halme gab gute Lampendochte; auch nutzten es die Mönche als weichen und wärmenden Bodenbelag für das Refektorium und die Zellen der Alten, die die nächtliche Kälte oft schwer ertrugen.
    »Erzählt noch einmal, wie Ihr mich gefunden habt, Father Finnian«, bat der Junge und griff zutraulich nach der Hand des greisen Mönchs.
    Der ehrwürdige Vater Finnian seufzte und wackelte in gespielter Verzweiflung mit dem fast kahlen Kopf. Sein kleiner Freund hörte die Geschichte aber auch gar zu gern. Gutmütig begann er zu erzählen. »Nun, wenn du es hören willst: Es war vor sieben Jahren, beinahe schon Winter. Wir hatten in jenem Jahr die schlimmsten Herbststürme, die man sich vorstellen kann, manchmal hättest du glauben können, das Jüngste Gericht sei gekommen. Ein fürchterliches Heulen und Tosen lag dann in der Luft, als ob der schwarzgraue Himmel sich selber verschlingen wollte. Der Wind war an diesen Tagen so gewaltig, dass die Wellen unseres braven alten Shannon bis an die Mauern der Finghin-Kapelle peitschten. Nicht einmal die Möwen wussten vor lauter Gischt und Regen mehr, wo oben und unten war, und die dunklen Wolken hingen so tief, dass man fürchtete, mit dem Kopf daran zu stoßen, wäre man ins Freie gegangen. Eines Abends, als der Sturm wieder einmal so heftig an den Dächern unserer Hütten zerrte, dass wir es mit der Angst vor dem Weltenende zu tun bekamen, versammelten wir uns alle im Refektorium, um dort das Nachtmahl zu halten. Wir beteten und sangen, damit wir nicht die Zuversicht verlören. Gestärkt durch ein warmes Essen und das gemeinsame Gebet begaben sich alle zurück in ihre Zellen, nur ich – damals war ich Pförtner – hatte wie immer die Aufgabe, das Tor für die Nacht zu schließen. Oh, wie kämpfte ich mich durch Regen und Sturm! Der Wind fegte die kalten Tropfen wie spitze Nadeln gegen mein Gesicht, und innerhalb kürzester Zeit war ich nasser als ein Fisch! Ohne hochzusehen stemmte ich mich gegen das hölzerne Portal, um es zu schließen. Es klemmte!

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