Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
eingelegt, die Hände dicht hinter der Brechscheibe. Immer näher kamen sie sich, und dann trafen auch schon Lanzen auf Körper, krachend, berstend und splitternd. Die beiden Kämpfer wendeten, ließen sich neue Lanzen reichen, und das Spiel ging erneut los. Am Ende flog der von Heinsberg in hohem Bogen aus dem Sattel und landete unsanft auf der Erde. Ezzo stieß einen triumphierenden Schrei aus, und die Leute auf der Tribüne zollten ihm gebührend Beifall.
Gegen den nächsten Gegner, einen groß gewachsenen Ritter aus einer Nebenlinie derer von Katzenellenbogen, ging es nicht viel anders, nur dass es diesmal vier Durchgänge waren, bis Ezzos Gegner ausgehoben wurde. Danach traten etliche junge Adelige aus dem Gefolge des Kölner Erzbischofs gegen ihn an – auch sie mussten sich geschlagen geben. Am Ende hielt den begeisterten Grafen von Drachenfels nichts mehr. Er wagte selbst den Tjost, und natürlich ließ Ezzo ihn gewinnen, indem er im entscheidenden Augenblick danebenstach. Der Graf wurde zum Turniersieger ausgerufen, und die Gesellschaft war zufrieden.
Am Nachmittag gab Ezzo noch ein paar Proben seiner Fechtkunst zum Besten, während die anderen ihre gewohnten Kunststücke zeigten. Schnuck tanzte auf dem Seil, Schwärzel führte seine Tiere vor, Janka las die Karten, und Gutlind widmete sich in ihrem Wagen den Freuden der Liebe. Sara hatte nichts zu tun; sie saß vor ihrem Zelt und ließ noch einmal das herrliche Turnier in Gedanken an sich vorüberziehen. Was für ein prächtiger Kämpfer Ezzo gewesen war! Plötzlich sah sie ihn mit ganz anderen Augen. Sie bewunderte seine Kraft und Geschicklichkeit, die Eleganz, mit der er zu Pferd saß, den Mut und die Ausdauer, die er bewiesen hatte. Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit fühlte sie sich wieder von einem Mann angezogen. Wie er wohl küsste? Wie sich seine Haut anfühlte? Wie sein Haar roch? Sie stellte sich vor, wie es wäre, ihn zu berühren, seine Lippen zu schmecken … aber dann spürte sie, wie sich etwas in ihr verkrampfte. Sie dachte an Chajim, und ihr verträumter Blick wurde hart. Ich will nie wieder einen Mann, sagte sie zu sich selbst, nie wieder! Und dann stand sie auf, um nicht mehr denken zu müssen. Langsam streunte sie durch den Zwinger, bis sie irgendwann bei Hiltprands Wagen landete. Waren das nicht die Gräfin und eine ihrer Töchter, die mit dem Quacksalber redeten? Vorsichtig kam sie näher, stellte sich hinter einen Stapel Strohballen und hörte dem Gespräch zu.
»Meine Elisabeth leidet unter unerträglichem Kopfwehe«, sagte die Gräfin gerade. »Dabei ist sie noch so jung, kaum fünfzehn. Bisher konnte ihr noch kein Arzt helfen. Wollt Ihr sie Euch nicht einmal ansehen?«
Hiltprand nickte ernst. »Setzt Euch auf den Stuhl, hohes Fräulein, und beschreibt mir Eure Schmerzen.«
Das Kind, ein blasses blondes Ding mit großen hellblauen Augen, tat, wie geheißen. »Die Schmerzen kommen alle paar Wochen«, erklärte sie mit dünnem Stimmchen. »Es ist immer nur die rechte Seite, die wehtut. Und es wird jedes Mal so schlimm, das ich es kaum mehr aushalte. Ich liege zu Bett, im Dunkeln, weil ich den hellen Tag nicht ertrage. Dann wird mir meistens ganz und gar übel, und ich muss alles von mir geben, bis die grüne Galle kommt. Danach wird es besser und geht vorbei. Das letzte Mal ging es mir vor drei Tagen so.«
Hiltprand tat so, als überlege er. Mit seinen großen, unsauberen Händen betastete er Kopf und Nacken des Mädchens, sah ihr in die Ohren, ließ sie die Zunge herausstrecken. »Schließt die Augen!«, befahl er. Dann legte er alle zehn Finger gespreizt an ihren Kopf und murmelte unverständliches Zeug. Plötzlich begannen seine Finger zu zittern, immer stärker, bis er schließlich losließ, als hätte er sich verbrannt. Er schnaufte ein paar Mal tief durch und machte ein unglückliches Gesicht.
»Ich fürchte, ich weiß, was Eurer Tochter fehlt«, sagte er zu der Gräfin, die nun ganz ängstlich dreinsah. »Das arme Ding hat einen Dämonen im Kopf, der sich in sie verliebt hat. Sie wird nicht gesund werden, wenn er nicht ausgetrieben wird.«
»Ach du heilige Mutter Maria!«, schrie die Gräfin auf und sah entsetzt auf die junge Elisabeth, die vor Schreck gar kein Wort herausbrachte. »Könnt Ihr etwas tun, guter Herr Medicus? Ich bitt Euch … «
Hiltprand schürzte die Lippen. »Es gibt da ein Mittel«, meinte er. »Ich habe es schon mehrfach erprobt und hatte immer Erfolg damit. Soll ich …?«
Die Gräfin und ihre
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