Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
Vom Netzwerk:
Ärmsten.
    »Hättest doch du die blöde Kuh gespielt«, erwiderte Schnuck beleidigt.
    »Denk doch mal nach, Schnuck!« Ezzo schlug dem Frischrasierten gutmütig auf die Schulter. »Ich spiele doch schon den Liebhaber!«

    Am Abend sah Sara zum ersten Mal ein ernstes Schauspiel. In Siegburg hatte man nur Possen und Lächerliches zum Besten gegeben, aber vor adeligem Publikum brauchte man ein anderes Repertoire, zu dem auch die »Sigismunda« gehörte.
    Alles traf sich beim Licht vieler Kienspäne in der Hofstube, die im ersten Stockwerk des Bergfrieds lag. Das Grafenpaar und seine vier Kinder warteten schon in ihren schön geschnitzten Lehnstühlen. Etliche Höflinge, ein paar Hintersassen und Lehnsleute und sogar das ganze Gesinde saßen auf schnell zurechtgezimmerten Holzbänken. Alle blickten mit erwartungsvollen Mienen auf die Schmalseite des Saals. Hier waren ein paar einfache Kulissen aufgebaut, verdeckt von einem über ein Seil geworfenen Vorhang.
    Schwärzel machte den Proklamator. Mit aufgeblähten Backen stieß er in ein Kuhhorn, das quäkenden Tones den Beginn der Vorstellung verkündete. »Wohlan, ihr Frauen, Herrn und Knecht, springt herbei von allem Geschlecht, wie jung, wie alt, wie krauß, wie schön, eilet unser Stück zu sehn!« Die Zigeunerjungen zogen die Vorhänge auf. Es konnte losgehen.

    In der nächsten Stunde litten alle mit der schönen Fürstentochter, dem einzigen Kind des Fürsten Tancred von Salerno, gespielt von Pirlo. Der Alte hatte eine geschnitzte, goldbemalte Holzkrone auf und trug einen purpurnen Umhang, was ihn hoheitsvoll und königlich aussehen ließ. Der Fürst liebte seine schöne Tochter über alles, lobte sie und ihre Tugendhaftigkeit in den allerhöchsten Tönen und ließ sie schließlich rufen. Das war Schnucks Auftritt. Von der Seite her trippelte er mit winzigen Schritten herein, das Gesicht weiß geschminkt, auf dem Kopf eine blonde Perücke mit dicken Zöpfen. Dabei wäre er beinahe über den Saum seines langen Kleides gestolpert, er, der doch auf dem Seil so trittsicher war. Sara, Gutlind und Ciaran, die ganz hinten an der Wand standen, sahen sich an und unterdrückten ein Lachen. Schnuck stellte sich in Positur, breitete die Arme aus und warf sich in die Brust, um seinen üppig mit Stoffresten ausgestopften künstlichen Busen zur Geltung zu bringen. Dann deklamierte er salbungsvoll seine erste Zeile: »Herr Vater, Ihr habt mich rufen lassen?«
    Leises Prusten von Sara, Gutlind und Ciaran. Schnuck hatte mit einer so piepsigen Fistelstimme gesprochen, dass sie einem Kastraten alle Ehre gemacht hätte. »Jetzt weißt du, warum man die Frauenrollen von Buben spielen lässt, die noch nicht im Stimmbruch sind«, flüsterte Gutlind Sara ins Ohr. Ein vernichtender Blick von Pirlo ließ sie verstummen.
    Dann ging das Stück weiter. Natürlich war kein Bewerber um Sigismunda dem liebenden Vater gut genug – alle wies er ab: Schwärzel, der sich schnell in den Herzog von Campanien verwandelt hatte, Jacko, der den Grafen von Montevarco spielte und schließlich Ciaran, der – eine Rolle, die man eigens für ihn angelegt hatte – den König von Irland verkörperte und ein paar Sätze in seiner Muttersprache zum Besten gab. Doch es kam schließlich, wie es kommen musste. Sigismunda, ein Weib von Fleisch und Gefühl, verliebte sich in den armen Ritter Guiscard. In einem Brief lud sie ihn zum nächtlichen Treffen auf ihre Kemenate. Zuvor jedoch, während sie im Garten lustwandelte, kam der Fürst in ihr Zimmer und schlief, da er seine Tochter nicht vorfand, hinter einem Vorhang ein. Tancred erwachte schließlich nicht dadurch, dass sich Ezzo in Gestalt des jungen Guiscard an einem an der Saaldecke angebrachten Seil ins Schlafzimmer herabließ, er erwachte nicht durch das überschwängliche Liebesgeflüster des Paares, nein, er erwachte erst, als die beiden mitten im Liebesspiel auf dem Bett lagen. Sofort ließ der Fürst den armen Guiscard in den Kerker bringen und dort ermorden. Am nächsten Morgen überreichte er dessen Herz seiner Tochter in einem goldenen Becher. Sigismunda erkannte das Herz und trank in ihrer Verzweiflung Gift. Sterbend bat sie den reuigen Vater, sie an Guiscards Seite zu begraben.

    Spätestens bei der Schlussszene war das Publikum – und auch Sara – in Tränen aufgelöst. Es gab rauschenden Beifall, und die Gräfin warf sogar eines ihrer nassgeweinten seidenen Taschentücher auf die Bühne. Die Schauspieler mussten sich wieder und wieder verbeugen, und

Weitere Kostenlose Bücher