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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Sitzgerüste verstärkt und ließ nur eine begrenzte Anzahl Zuschauer zu. Alle waren entweder Adelige oder geistliche Würdenträger. Der König war für den Höhepunkt des Turniers eingeteilt, also ganz am Ende des Nachmittags, bevor es zu dunkeln begann. Vorher trat Friedrich von Österreich an, der mit Barbaras Geld die Schaukämpfe ausgerichtet hatte. Sein Gegner war, wie vorher abgesprochen, Barbaras Bruder Ulrich, der in alles eingeweiht war. Friedrich ritt gerade zum zweiten Mal gegen den Grafen von Cilli an. Mit lautem Krachen prallten die beiden Lanzenspitzen gegen die Brustharnische der beiden Gegner, doch dann rutschte Friedrichs Lanze ab – man hatte die Spitze vorsorglich abgerundet. Graf Ulrich hatte ganz offensichtlich den besseren Treffer gesetzt und seinen Gegner aus dem Gleichgewicht gebracht. Der Österreicher schwankte, ließ sich halb von seinem galoppierenden Schimmel herunterhängen, verlor schließlich einen Steigbügel und rutschte mehr vom Pferd als dass er fiel. Die Zuschauer schrien auf, manche erhoben sich von ihren Plätzen. Der Herzog lag reglos da. Zwei österreichische Ritter rannten auf den Sandplatz und lösten ihrem Herrn den Helm, er blinzelte benommen – Gott sei Dank, er lebte! Dann trugen sie ihn vom Platz.
    Nach kurzer Zeit erschien ein Herold im Geviert, stieß in sein Gemshorn und verkündete, der edle Herzog von Österreich sei an Schulter und Arm verletzt und könne das Turnier nicht fortsetzen. Man brächte ihn unverzüglich in sein Quartier nach Kreuzlingen. Es sei aber ausdrücklicher Wunsch des hohen Herrn, dass alle Kämpfer das Turnier heute noch in seinem Namen und zu seinen Ehren zu Ende brächten.
    Jubel erschallte, Fahnen wurden geschwenkt. Der Turnierkönig rief die Paarung der nächsten beiden Kämpfer ins Geviert. Und während der König weiter voller Vorfreude auf seinen Turniereinsatz wartete, fuhr der keineswegs schwer verletzte Herzog von Österreich in einer verhängten Kutsche zunächst nach Kreuzlingen, wo man bereits die Abreise seines Trosses vorbereitete. Ungefähr zur gleichen Zeit, mitten im Durcheinander des Turniers, verließen Beamte von Johannes XXIII. mit der päpstlichen Kasse unerkannt die Stadt. Kurze Zeit später verbreitete sich die Nachricht, die Burgunder seien ins Oberelsass eingefallen, das zu Friedrichs Landen gehörte.
    Kaum war Friedrich in Kreuzlingen angekommen, schickte er einen Boten mit einem vorbereiteten Schreiben an den König, in dem er bedauerte, kurzfristig abreisen zu müssen. Seine Anwesenheit sei im Oberelsass dringend erforderlich …

Konstanz, am selben Abend und am Tag danach
    Während der Herzog von Österreich zu Kreuzlingen seine Abreise vorbereitete, nahm Baldassare Cossa ein leichtes Abendessen zu sich. Süße, mürbe Winteräpfel, Käse, geräucherten Felchen, hartgekochte Eier, Oliven und in Honig eingelegte Feigen. Und helles Weizenbrot, wie er es aus seiner Heimat gewohnt war – das hiesige Gebäck, dunkles, pappiges Zeug, das wie ein Stein im Magen lag, kam ja einem Höllenfraß gleich! Kein Wunder, dass diese Deutschen ein schwerfälliges, trübseliges Volk waren, ohne Witz und Frohsinn, wenn sie sich von solch ungenießbarem schwerem Klump ernährten. Die Suppe, die er sich hatte kommen lassen, um die Mär von seiner Krankheit aufrechtzuerhalten, schüttete Cossa in den Kamin, wo sie sich zischend in Dampf auflöste.
    Während er aß, ärgerte er sich. Eigentlich ärgerte er sich ständig, nicht erst seit er hier war, sondern schon lange vorher. Natürlich hatte er gewusst, dass es ein Fehler war, hierherzukommen. Ein großer Fehler sogar. Aber er hatte diesen Sigismund gebraucht, und er brauchte ihn jetzt und in Zukunft. Schließlich wollte er in dem Amt bleiben, das er sich so mühsam erobert hatte, indem er seinen Vorgänger mit Gift ins Jenseits hatte befördern lassen. Ein Amt, das er nun mit Zähnen und Klauen verteidigen musste. Italienische Politik, dachte Cossa verdrießlich. Ein Greuel! Der König von Neapel, dieser Schweinefurz Ladislaus, war im Kirchenstaat einmarschiert und hatte ihn, Baldassare Cossa, den einzig rechtmäßigen Papst, vertrieben, die Peterskirche zum Pferdestall entweiht! Ohne die Hilfe des deutschen Königs war an eine Rückkehr nach Rom gar nicht zu denken. Und dieser Sigismund war nicht dumm, er forderte für diese Hilfe einen Preis: Cossas Teilnahme am Konzil. Die »verfluchte Dreiheit« sollte beendet werden und nur ein Papst übrig bleiben: er selbst, Cossa.

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