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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Kranker gesund werden. »Dass Ihr hier sein müsst, tut mir leid«, sagte ich zu dem Magister. »Wenn Ihr erlaubt, will ich Euch helfen, so gut es in meiner Macht steht.«
    Er zuckte die Schultern. »Wenn es denn Gottes Wille ist, dass ich leben soll, um meine Lehre zu verteidigen … « Mühsam erhob er sich, breitete die Arme aus und ließ sie dann wieder fallen. »So waltet Eures Amtes.«
    Jetzt erst konnte ich erkennen, dass er bis auf die Knochen abgemagert war. Er war ein kleiner Mann, nicht viel größer als ich, mit tiefliegenden Augen, eingefallenen Wangen und langem, strähnigem Haar, in dem ich sogar in der Düsternis die Läuse sehen konnte. Es war ein jammervoller Anblick. Als ich ihm näher kam, nahm ich den durchdringend säuerlichen Geruch des Magenkranken wahr. Ich bat ihn, mir seinen Zustand zu schildern, und er erzählte von Schwäche und Übelkeit, von Erbrechen und Schmerzen, von Fieber, Schwindel und Durchfall. Seit Wochen konnte er kaum etwas bei sich behalten.
    Ich ließ mir einen mehrflammigen Leuchter bringen, um den Mann besser untersuchen zu können. Im fahlen Schein der Kerzen sah er noch mitgenommener aus, und ich entdeckte Läuse auch in seinen Augenbrauen. Am Leib trug er nichts als ein langes Leinenhemd, drecksteif, voller Löcher und Risse und von Kot und Erbrochenem verschmutzt. Er deutete meinen Blick richtig und senkte verlegen den Kopf. »Leider bin ich im Augenblick wohl keine eindrucksvolle Erscheinung, nicht war?«, lächelte er dann. »Es ist mir peinlich. Ich stinke, und ich starre vor Schmutz.« Er wankte leicht, es war offensichtlich, dass er sich kaum auf den Beinen halten konnte. Ich bat ihn, sich hinzulegen, und tastete mit der Hand vorsichtig seinen Bauch ab. Als ich rechts oben unterhalb der Rippen nur leicht drückte, schrie er vor Schmerz laut auf.
    »Ziehen die Schmerzen auch manchmal bis in Schulter und Rücken?«
    Er bejahte, immer noch leise stöhnend. Ich griff mir den Leuchter und hielt ihn dicht über sein Gesicht. Es war schlecht zu erkennen, aber ich glaubte, eine Gelbfärbung der Haut auszumachen, auch das Weiße in den Augen war gelb getönt. Mehr brauchte ich nicht zu wissen. Es war eine Entzündung der Galle, vermutlich saßen in ihr auch Steine, die das Abfließen des Gallensaftes verhinderten. Tatsächlich waren die Befürchtungen des Königs, der Gefangene könnte sterben, nicht unbegründet – wenn die Entzündung auf andere innere Organe übergriff, würde man angesichts des geschwächten Zustands des Patienten nicht mehr viel tun können.
    »Was hat Euch der Leibarzt des Papstes gegeben?«, fragte ich.
    »Safranwurz und Kardamom«, antwortete Jan Hus. »Dazu Himbeerwasser, um die feuchte Hitze aus dem Körper zu vertreiben. Umschläge mit ichweißnichtwas. Und Schleimsuppe.«
    »Hat es geholfen?«
    Er zuckte die Schultern. »Ein bisschen. Das Fieber und der Schüttelfrost wurden vorübergehend besser, aber die Schmerzen und alles andere nicht.«
    »Ihr habt eine Entzündung der Galle«, erklärte ich ihm. »Das ist nicht ungefährlich. Es gibt aber Arzneien, die gut helfen. Schleimsuppe ist richtig; Ihr könnt auch andere Suppen essen, aber nichts mit Bohnen oder Kohl. Ich werde dem Mönch Anweisung geben, was zu tun ist, und ihm heute Nachmittag die Medizin bringen. Auch soll man Euch fünf Mal am Tag Wickel machen, die ich vorbereite. Aber vor allem: Hier drinnen könnt Ihr unmöglich gesund werden, deshalb werde ich versuchen, Eure Kerkermeister zu überreden, Euch in ein anderes Gelass zu bringen.«
    Der Magister sah mich dankbar an. »Das wäre eine Wohltat«, sagte er leise.
    Ich nahm die Hand, die er mir darbot. »Wenn man mich lässt, komme ich wieder«, versprach ich. »Bald.«

    Draußen war Oswald von Wolkenstein schon ungeduldig geworden. »Und?«, fragte er, »Wie geht es ihm?«
    Ich funkelte ihn wütend an. »Wenn er noch lange in diesem stinkenden Dreckloch bleibt, stirbt er! Wie kann man mit einem kranken Menschen so umgehen?«
    »Na, na!«, entgegnete der Wolkensteiner beleidigt. »Erstens kann ich nichts dafür, und zweitens ist der Kerl ein gottloser Ketzer. Mitleid ist da nicht angebracht, meine Liebe. Aber wenn Ihr meint, werde ich mit dem König reden.«
    Ich beruhigte mich wieder. »Sagt Eurem Herrn, dass alle ärztliche Behandlung nichts helfen wird, wenn er seinen Gefangenen nicht in gesündere Umgebung bringen lässt. Er ist schwer krank, seine Galle ist entzündet, vermutlich sind Steine darin. Die Säfte können nicht

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