Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
so seltsam«, sagte Ciaran und stellte seinen Napf auf den Boden. »Natürlich komme ich mit.«
Das wollte ich auf keinen Fall, aber mir fiel so schnell keine Ausrede ein.
Pirlo runzelte die Stirn. »Besonders glücklich siehst du aber nicht aus«, sagte er trocken.
»Ich will mich erst freuen, wenn ich sie wirklich gesehen habe«, redete ich mich heraus. »Wer weiß, ob sie inzwischen noch dort sind, oder ob sich der Mann nicht getäuscht hat.«
Janka kniff die Augen zusammen, dass man sie vor lauter Fältchen kaum noch sehen konnte. Ihr Blick durchbohrte mich, und ich senkte den Kopf.
»Ich will auch nicht mehr hierbleiben«, ertönte plötzlich Adas Stimme. Es war selten, dass sie überhaupt etwas sagte, sie war ein recht einfacher Mensch und schwieg meist schon aus Schüchternheit. Jetzt, wo alle sie ansahen, bildeten sich auf ihren Wangen rote Flecken. »Ich meine, jetzt, wo Schnuck tot ist … und er liegt nicht in geweihter Erde … Ihr wisst doch auch, dass solche Toten wiederkommen, weil sie keine Ruhe finden. Sie suchen einen Ort, wo sie bleiben können. Und … wo soll Schnuck denn hin, wenn nicht zu uns? Ich hab Angst, dass er uns nachts sucht. Das bringt Unglück … und, und … Janka, hab ich nicht recht?« Sie streckte hilflos die Hände in Jankas Richtung.
Die alte Wahrsagerin nickte. »Wenn ihr mich fragt, ich bin dieser Stadt schon lang überdrüssig. Ich hab’s Pirlo erst gestern wieder gesagt: Auf diesem Konzil ruht etwas Böses, Unheiliges. Ich spür’s in meinen Knochen. Sie tun so, als ob alles zum Wohl der Christenheit geschähe, aber in Wirklichkeit geht es um Macht und Gold. Die Luft schwirrt von Lügen, manchmal, wenn ich nicht schlafen kann, hör ich sie nachts überall durch die Gassen zirpen wie Grillengesang. Wir verdienen gutes Geld, aber an den Gulden haftet nichts Gutes. Lasst uns aufbrechen, woanders ist es besser.«
»Wir sind dabei«, sagte Schwärzel.
Pirlo trank seine Brühe in aller Ruhe aus. Dann stützte er den Kopf in beide Hände und kratzte sich dabei mit den Fingern hinter den Ohren. Das tat er immer, wenn er nachdachte. Er war unser Anführer, also warteten wir alle auf seine Entscheidung. Schließlich sah er die Zigeuner an. »Was ist mit euch?«
Esma und Jacko schüttelten gleichzeitig den Kopf, Imre und Meli sahen betrübt zu Boden. »Wenn ihr geht«, sagte Esma, »dann schließen wir uns unseren Freunden aus dem Land Al Andalus an. Sie sind unser Volk, und Jacko hätte gern eines ihrer Mädchen zur Frau. Vielleicht ziehen wir mit ihnen in ihre Heimat, wenn das Konzil vorbei ist.«
Pirlo nickte. »Zephael?«
Der Elefantenmann saß wie immer ein Stückchen abseits auf einem Strohballen. Seine Krankheit war in der Zeit, seit ich ihn kannte, sichtbar fortgeschritten. Inzwischen hatte er auch am Hinterkopf eine Knochenwucherung, und sein linkes Bein war zur Dicke eines Baumstamms aufgedunsen, so dass er immer schlechter gehen konnte. Das alles hatte natürlich seinen Geschäften keinen Abbruch getan. Zephael lächelte, was bei ihm nicht oft vorkam. »Ich wollte es Euch eigentlich schon lange sagen. Jemand aus der byzantinischen Gesandschaft hat mir erzählt, dass es im Land der Mohren, über dem großen Meer, viele wie mich gibt. Er war dort und hat es selber gesehen. Ich wäre im nächsten Frühjahr ohnehin dahin aufgebrochen. Wenn ihr jetzt die Stadt verlasst, dann gehe ich auch. Von Genua aus fahren Schiffe nach Africa, heißt es. Vielleicht kennt man dort ein Mittel gegen meine Krankheit.«
Meli rannte zu Zephael und legte ihre dünnen Ärmchen um ihn. Sie war schon immer die Einzige gewesen, die sein Aussehen niemals abgeschreckt hatte. »Wirst du dort drüben dann auch schwarz anlaufen, wie die Mohren?«, fragte sie ängstlich.
Er schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Die Mohren, die ich hierzulande getroffen habe, sind ja auch nicht weiß geworden.«
Meli war beruhigt.
Nun fehlte nur noch Gutlind. Die dicke blonde Hure war zu Konstanz von allen Fahrenden am glücklichsten gewesen. Sie konnte sich vor Kunden kaum retten, hatte viele Freundinnen in den Schänken gefunden und verdiente gutes Geld. »Ich komm nicht mit«, meinte sie nun gelassen. »Solang die Pfaffheit der halben Welt hier in der Stadt ist, wäre ich dumm wie Bohnenstroh, wenn ich ginge. Noch ein paar Monate, und ich hab so viel Geld gespart, dass ich eine kleine Taverne aufmachen kann.«
Pirlo stand auf und räusperte sich. »Also gut«, meinte er. »Alles hat wohl seine
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