Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
ihrer Kehle hochstieg. Doch dann versteifte sie sich und entzog sich ihm. Als wolle sie vor ihm flüchten, stand sie hastig auf und ging zum Fenster. In ihrem Gesicht las er Angst und Unruhe, als sie sich schließlich umdrehte. »Du weißt noch nicht alles über mich«, sagte sie mit belegter Stimme. Und dann begann sie, zu erzählen.
»Ich bin zu Köln aufgewachsen, mein Vater war ein armer Schammes, ein Synagogendiener. Zweimal hat er mich verheiratet, in ganz jungen Jahren. Meinen ersten Ehemann kannte und liebte ich seit meiner Schulzeit. Ich wurde seine Frau, da waren wir beide noch halbe Kinder, glücklich und verliebt. Salo starb am Wechselfieber, kaum sechs Monate nach unserer Hochzeit. Und dann … « Sie atmete einmal tief durch, um sich innerlich zu wappnen, »und dann, nach der Trauerzeit, nahm mich sein Bruder zur Frau. Das ist bei uns so Sitte, ich konnte mich nicht dagegen wehren. Die nächsten dreizehn Monate waren die schlimmste Zeit meines Lebens. Nein, lass mich weiterreden … «
Ezzo hatte sich schon halb erhoben und wollte zu ihr, aber sie wehrte ab.
»Für das, was Chajim mir angetan hat, finde ich bis heute keine Worte. Ich wäre fast an diesem Mann zerbrochen. Und als ich keinen anderen Ausweg mehr sah, bin ich fortgelaufen. Das ist viele Jahre her, aber seither vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht daran denke, dass er mich womöglich findet. Denn ich weiß, dass er nie aufhören wird, mich zu suchen.« Sie strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn und sah Ezzo entschlossen in die Augen. »Was ich dir damit sagen will, ist: Ich bin immer noch eine verheiratete Frau.« Endlich war es heraus. Sara empfand eine merkwürdige Erleichterung. Ganz gleich, wie Ezzo jetzt entschied, es stand nun keine Lüge mehr zwischen ihnen. Sie forschte in seinem Gesicht und sah weder Ablehnung noch Abscheu, nur Mitleid und Liebe. Jetzt ging er zu ihr, blieb vor ihr stehen.
»Fühlst du dich noch immer an diesen Mann gebunden?«, fragte er.
Sie schüttelte den Kopf. »Nach Recht und Gesetz ist er mein Ehemann«, sagte sie leise, »in meinem Kopf und in meinem Herzen war er es nie.«
Er zog sie an sich. »Das ist alles, was für mich zählt, Sara.«
Sie schlang die Arme um ihn. »Und mein Glaube?«, flüsterte sie an seiner Schulter.
Er sah ihr fest in die Augen. »Ich liebe dich. Ob du Christin bist oder Jüdin, Muselmanin oder Heidin. Du kannst Götzen verehren oder glauben, dass die Erde eine Kugel ist, es ändert nichts. Du bist die Frau, die ich will.«
»Die Leute werden gegen uns sein, Ezzo. Meine Juden und deine Christen. Wir werden nirgends dazugehören, werden Feindschaft und Hass erzeugen, das ist gefährlich. Oder es darf niemand etwas von uns wissen, alles muss heimlich sein. Willst du das wirklich?«
»Willst du es denn?«
Sie antwortete nicht. Sie wusste nur eines: Salo, Ciaran, Ezzo – es würde über ihre Kraft gehen, noch einen Mann zu verlieren, den sie liebte.
»Würdest du denn hier mit mir leben wollen?«, fragte sie zurück.
Er zögerte. Nun war es an ihm, ehrlich zu sein. »Du weißt auch nicht alles über mich«, antwortete er schließlich. »Nein, keine Angst, es ist nichts Schlimmes. Nur, dass ich noch eine Aufgabe erfüllen muss, die ich mir selber schuldig bin. Es kann sein, dass mir danach ein kleines Territorium gehört, nichts Großartiges, aber genug, um gut zu leben. Nur Janka und Pirlo wissen davon. Es ist mein Erbe.«
»Wo liegt es?«
»Nicht so weit von hier, ein, zwei Tagesritte vielleicht. Riedern, ein Rittergut im Lehen des Erzbischofs von Mainz. Ich bin dort aufgewachsen, als Bastard des Burgherrn, sein Sohn zur Linken mit einer Dienstbotin. Mein Onkel hat mich vor Jahr und Tag um dieses Erbe betrogen, danach bin ich nach Buda an den Hof gegangen, um Ritter zu werden.« Er schloss kurz die Augen. »Die Frau, deren Ring du zu Sankt Goar gesehen hast, war die Königin.«
Deshalb hatte er nie einen Namen genannt! Es war die Gefahr, in der er geschwebt hatte. Adonai, er hatte den König zum Hahnrei gemacht, ein Vergehen, das einen das Leben kosten konnte! Sara erinnerte sich an Barbara von Cilli – sie war ihr zu Konstanz einmal von fern begegnet. Sie begriff nicht, wie Ezzo nach dieser betörend schönen Frau jemanden wie sie auch nur ansehen mochte. Aber bevor sie ihn danach fragen konnte, nahm er ihr das Wort aus dem Mund. »O ja, es heißt, sie sei die schönste Frau der Christenheit«, sagte er, »aber ihre Schönheit endet gleich unter der Haut.
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