Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
Darunter sind nichts als Hass, Bosheit und Berechnung. Ich bin fertig mit ihr, schon lange. Drei Jahre lang war ich ihr zum Ritterdienst verpflichtet. Das ist jetzt vorbei, und nun ist die Zeit der Abrechnung mit meinem Onkel gekommen. Ich habe alles so eingerichtet, dass ich mich morgen auf den Weg machen kann.«
Sara senkte niedergeschlagen den Kopf. Dies alles schien ihr plötzlich zu viel. Ezzo als Liebhaber der Königin, als edelfreier Erbe einer Herrschaft. Und wer war sie? Nichts passte hier zusammen! Beinahe wünschte sie sich, er wäre nicht zurückgekommen. »Ach Ezzo«, sagte sie traurig, »Wie soll das gutgehen? Wenn deine Pläne sich erfüllen, wirst du bald auf deinem Rittergut sitzen als Lehnsmann des Mainzer Bischofs. Du wirst mit Leuten vom Adel verkehren, reiche Abgaben bekommen, auf die Jagd gehen, Feste feiern. Sag selbst: Hat eine jüdische Ärztin in so einem Leben einen Platz? Wir könnten nie offen miteinander umgehen, und du wärst meiner schnell überdrüssig.« Sie machte sich los, strich sich fahrig durchs Haar. Wie schnell war doch dieser kurze Anflug neuen Glücks vorüber …
Er hielt ihre Hand fest. »So leicht gibst du dich geschlagen? Wir werden uns einen Platz schaffen, Sara, irgendwo, irgendwie. Hier zu Würzburg oder auf Riedern, ganz egal. Es muss möglich sein, und es ist möglich, wenn wir es nur wollen.«
»Ich weiß nicht.« Sie schüttelte den Kopf. »Vielleicht wäre es besser, du bliebest in deiner Welt und ich in meiner. Es ist zu schwierig. Schau, da ist auch noch meine Schwester … «
Er ließ ihre Hand los. »Liegt dir so wenig an uns? Dann sag, dass du mich nicht willst!«
Sie kämpfte mit sich, aber sie konnte es nicht. Sie sah ihn an, und plötzlich pulste trotz aller Vernunft pures Glück durch ihre Adern. Und wenn die Welt unterging: Da stand der Mann, auf den sie immer gewartet hatte. Sie wollte ihn nicht abweisen, nicht um alles in der Welt. Wer weiß, dachte sie, wenn sein und mein Gott uns gnädig sind, dann werden sie uns den Weg zeigen. Wann wäre das Leben jemals einfach gewesen?
Sara traf ihre Entscheidung. Mit einem Lächeln auf den Lippen schob sie sein Hemd vor der Brust auseinander, beugte sich vor und küsste sacht und zärtlich seine Narbe. »Geh, Ezzo«, sagte sie leise, »kämpf um dein Erbe. Und ganz gleich wie es ausgeht, danach komm wieder. Ich liebe dich, und ich will auf dich warten … «
Sein Kuss verschloss ihre Lippen.
Nach einer Ewigkeit machte er sich von ihr los. Es hatte geklopft, draußen stand ein altes Weib mit einem Uringlas in der Hand.
»Ich werde morgen in aller Frühe aufbrechen«, sagte er. »Denk an mich, dann wird schon alles gut gehen.«
»Gib auf dich acht, Liebster. Und versprich mir, dass du wiederkommst«, erwiderte sie atemlos.
»So schnell ich kann. Ich schwör’s.«
Er öffnete die Tür und ging an der verdutzten Alten vorbei.
Sara sah ihm nach, die Hand auf die Mesusa im Türrahmen gelegt. Mit dem Zeigefinger berührte sie den Namen Gottes, der im Schlitz der Kapsel sichtbar war. »Schenke ihm Schutz und Licht auf seinem Weg, o Adonai«, flüsterte sie, »und bring ihn mir wieder. Amejn.«
Dann ordnete sie rasch ihre Kleider. »Komm herein, Mutter Rebecca. Geht es dir heute besser?«
Sara
Nach Ezzos Besuch war ich unendlich glücklich und zutiefst unglücklich zugleich. Ich ging wie auf Wolken, weil er mich liebte, hätte am liebsten die ganze Welt umarmt vor lauter Seligkeit. Gleichzeitig konnte ich mir nicht vorstellen, wie unsere Zukunft aussehen sollte.
Am Morgen, auf dem Weg aus der Stadt, war Ezzo noch einmal vorbeigekommen, um sich zu verabschieden. Eine kurze Umarmung, ein Kuss, dann riss er sich los und ritt davon. Mir tat das Herz weh, als ich ihm nachsah. Vielleicht, dachte ich, ist es gut so. Jetzt haben wir beide Zeit zum Nachdenken, Zeit, herauszufinden, was wir uns wirklich wünschen.
Ich musste mit jemandem reden, also ging ich zu Janka. »Na endlich«, lachte die alte Wahrsagerin, »seid ihr zwei von selber darauf gekommen. Ich dachte schon, ich muss euch mit eigenen Händen zum Jagen tragen.« Sie hatte es schon immer gewusst.
»Warum hast du nie etwas gesagt?«, fragte ich.
Sie schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Weil man dem Schicksal nicht ins Handwerk pfuschen darf, Kindchen. Und nein, bitte mich nicht, dir zu raten. Wenn es so weit ist, wirst du wissen, was zu tun ist. Bis dahin gib dir Zeit.«
Ich kannte Janka, mehr würde sie nicht sagen.
Mein nächster Weg
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