Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
gusseiserner Leuchter mit mindestens einem Dutzend Talgnäpflein. Der Raum sah peinlich sauber aus, frisch gefegt, duftende Kräuterzweiglein auf dem Fußboden verstreut. Hier arbeitete sie also. Vermutlich schlief sie oben im ersten Stock, ach ja, und da war wohl auch noch ihre Schwester …
»Kann ich Euch helfen?«
Er fühlte sich ertappt und fuhr herum. Saras höfliches Lächeln erstarrte für einen Augenblick vor lauter Überraschung, dann breitete es sich auf ihre Augen aus, die plötzlich strahlten wie zwei helle Kerzenflammen. Er stand erst verlegen da, dann fasste er sich wieder. »Oh«, scherzte er und hob wie ein Schauspieler den Handrücken an die Stirn, »ich leide in letzter Zeit unter schmerzhafter Sehnsucht nach alten Freunden! Ob Ihr wohl ein Mittel dagegen habt, Magistra?«
Am liebsten wäre sie ihm um den Hals gefallen. »Nun, so etwas ist schwer zu heilen«, gab sie mit ernster Miene zurück, »höchstens mit einem Gran Rückkehr und einer Unze Wiedersehensfreude! Ach Ezzo, ich hab dich so vermisst!« Sie fiel ihm um den Hals, und er hielt sie mit geschlossenen Augen, jeden Augenblick dieser Berührung auskostend. Dann lösten sie sich ein bisschen verlegen voneinander. Er griff nach ihren Händen und drückte sie. »Du siehst hübscher aus denn je!«
»Bauchpinsler!« Sie lachte. »Ich war grade auf Krankenbesuch, und ich bin müde und schmutzig!« Dann zog sie ihn zur Tür. »Komm mit hinein, drinnen ist es nicht so heiß. Und dann musst du mir alles erzählen … «
»Warum ist Ciaran gegangen?« Endlich getraute er sich, die Frage zu stellen. Fast zwei Stunden waren sie nun dagesessen, hatten sich die Erlebnisse des letzten Jahres erzählt und dazu gewürzten Mainwein getrunken. Jetzt war es an der Zeit, die wirklich wichtigen Dinge zu bereden.
Sara machte eine Bewegung, als wolle sie eine lästige Fliege vertreiben. Aber sie konnte nicht verhindern, dass ihr das Wasser in die Augen stieg. »Er hat mich gehasst, dafür, dass ich ihn belogen habe. Und dafür, dass ich … «
» … Jüdin bin?« Ezzo fing mit der Fingerspitze eine Träne auf, die über Saras Wange lief.
Sie nickte, und dann schüttelte sie ein trockenes Schluchzen. Er setzte sich zu ihr auf die Bank. »Schscht«, flüsterte er, »ist ja gut.« Und dann nahm er ihr Gesicht in beide Hände und küsste die Tränen weg, sanft und vorsichtig, strich ihr das Haar aus der Stirn, raunte ihr beschwichtigend tröstende Worte ins Ohr. Sie legte ihre Arme um seine Schultern und hielt sich fest. Es tat so gut.
»Es … es hat ihn vor mir geekelt«, schluchzte sie. »Er hat gesagt, ich sei schmutzig, widerlich, hässlich, hätte ihn besudelt … «
Ezzo schüttelte fassungslos den Kopf. Dieser Dreckskerl! Er hob Saras Kinn an, bis sie ihn ansehen musste. Und dann lächelte er. »Du bist nicht schmutzig, Sanna, und nicht widerlich. Bei Gott, du bist schön, das schwör ich dir! Ganz gleich, in welchem Glauben man dich geboren und erzogen hat, du bist liebenswert und wunderbar. Du bist eine Frau, für die jeder vernünftige Mann seinen rechten Arm hergeben würde.«
»Sara«, sagte sie mit dem Versuch eines Lächelns und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Ich heiße Sara.«
»Sara … «, wiederholte er und lauschte beinahe andächtig dem Klang ihres Namens. Dann trocknete er ihre Wangen mit seinem Ärmel. »Ich war ein Trottel, dass ich dich Ciaran gelassen hab«, sagte er und grinste schief. »Weißt du, ich war nämlich viel eher in dich verliebt als er.«
»Du? Du hattest doch deine Hofjungfer, deren Ring du trugst.«
In einem Anflug von Bitterkeit lachte er auf. »Jetzt nicht mehr«, erwiderte er. »Ich habe ihn von Prag aus zurückgeschickt. Mir dir ist das anders – von dir besitze ich nämlich ein Andenken, das ich nie wieder loswerden kann.« Sie hob fragend die Augenbrauen. »Schau!« Er nestelte sein bereits am Kragen offenes Hemd ein bisschen weiter auf. Die Schnittwunde kam zum Vorschein, die sie genäht hatte, damals in Sankt Goar. »Sie hat mich immer an dich erinnert.«
Sanft legte Sara ihre Finger auf die Narbe. »Fünf Stiche«, sagte sie. »Ich weiß es noch ganz genau … «
Und dann neigte er den Kopf und küsste sie. Ganz sanft tupfte seine Zunge an ihre; er wartete, ob sie ihn abwehren, sich von ihm lösen würde, aber sie ließ ihn gewähren, kam ihm entgegen, ergab sich dem Spiel seines Kusses. Er atmete schneller, spürte, dass auch ihr Herz stärker klopfte, hörte den winzigen Seufzer, der in
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