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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Leuten nach, die vor ihm alle in dieselbe Richtung liefen. Seine glatten Stiefel fanden keinen Halt im frisch gefallenen Schnee, er rutschte aus, taumelte, fing sich wieder. Lass es nicht wahr sein, Gott, war alles, was er denken konnte. Hinter sich hörte er Finus’ schnellen Atem.
    Der Schnee vor dem Eingang der Synagoge war zertrampelt und voller Blutspuren. Wehklagen ertönte von drinnen, verzweifeltes Jammern. Ezzo stürmte in den Gebetsraum und blieb vor Entsetzen wie angewurzelt stehen. Da lagen Leiber übereinander, Arme, Köpfe, Beine, verdreht und reglos und blutig. Es mussten mehr als zwanzig sein, Männer, Frauen und Kinder. Opfer eines sinnlosen, unbegreiflichen, unmenschlichen Hasses. Ezzo sah in die Gesichter, während er über die Leichen hinwegstieg – er suchte nur eines, dasjenige, das ihm vertraut war, das er liebte: Saras Gesicht. Eine Tote drehte er um, voller Angst, sie könnte es sein, nur um dann wieder aufzuatmen. Es war eine Fremde.
    Und dann fand er sie.
    Sie lag an der Ostwand, gleich neben dem Thoraschrein, zusammengekrümmt wie ein schlafendes Kind. Das Blut, das von ihrer Schläfe rann, hatte Schleier und Mantel hellrot gefärbt. Viel zu viel Blut, in ihrem Haar, auf ihrem todesbleichen Gesicht.
    Langsam und vorsichtig schob Ezzo seine Arme unter Saras Körper und hob sie hoch. Nie war sie ihm so leicht vorgekommen. Ihr Kopf fiel nach hinten, und ihr rechter Arm baumelte leblos herab. Er wankte zurück zur Tür, wich Menschen aus, die verzweifelt ihre Toten suchten. Eine Frau sank wimmernd vor ihm zu Boden und umarmte ein blutiges Bündel, ein Kind irrte mit stumpfem Blick an ihm vorbei. Endlich erreichte Ezzo den Platz vor der Synagoge. Noch ein paar Schritte, dann fiel er auf die Knie, Saras leblosen Körper immer noch an sich gepresst. Es schneite immer dichter. Weiße Flocken schmolzen in Saras dunklem Haar, auf ihren Wangen, ihren blutleeren Lippen. Ezzo spürte keine Kälte, er kniete einfach nur im tiefen Schnee, unfähig sich zu bewegen oder gar aufzustehen. Er schloss die Augen, wollte nichts begreifen, nichts verstehen, nichts einsehen.
    Erst als Finus die Hand auf seine Schulter legte, begann er zu weinen.
    Lied über den Tod von Oswald von Wolkenstein
    Nach der Übersetzung von Dieter Kühn
Ich riech ein Tier:
Die Füße breit, und scharf sind seine Hörner;
das will mich in die Erde stampfen,
mit einem Stoß durchbohren.
Den Rachen hat es aufgerissen
als sollt ich ihm den Hunger stillen.
Es kommt heran,
die Mordlust auf mein Herz gerichtet –
ich kann der Bestie nicht entfliehn!
Zum letzten Tanz bin ich nun vorgeladen …

Sara
    Da waren Farben. Helle, wirbelnde Farben, die ineinander verschwammen, sich auflösten und davontrieben, wabernd und wallend. Überall leuchtete es und funkelte, so klar und rein, so licht und durchscheinend. Es war unbeschreiblich schön, in diesem Licht zu schweben, schwerelos, leicht und frei. Nichts schmerzte, nichts war wichtig, nichts wollte gedacht, gefühlt oder getan sein. Zeit war ewig, ohne Belang. Eine nie gekannte Ruhe strömte aus diesen Farben, die alles Streben, alle Wünsche stillte.
    Irgendwann taten sich in den Farben lebende Formen auf. Kreise, die zu Ovalen wurden, dann zu Tropfen. Spiralen, die sich drehten, schneller und schneller. Strudel formten sich, Wirbel und Mäander, Wellen, Zacken und Schlingen, alles zuckte und bebte, veränderte sich unaufhörlich, erschien und wurde wieder unsichtbar. Es war wie eine immerwährende, wilde und doch geschmeidige Bewegung, mitten im blendenden, weißen Nichts.
    Dann verschwand die Helligkeit. Dunkles Rot bahnte sich seinen Weg, überschwemmte den Raum, breitete sich aus, floss und wogte. Süß und verlockend war dieses Rot. Seine Wärme umfing alles wie eine Liebkosung. Zeit und Raum waren vollkommen still, es gab kein Damals, Heute oder Morgen. Kein Laut drang durch das rote Wallen … und doch … ja, da war ein Ton, ein tiefes Vibrieren, sanft bebend, kaum hörbar, eher fühlbar. Der Ton wurde deutlicher, hartnäckiger. Er störte den wunderbaren Frieden, ließ das allumfassende Rot erzittern und dünner werden, bis es in winzige Teilchen zerplatzte. Das Schweben änderte sich, es wurde zur Fortbewegung, bekam ein Ziel irgendwo. Und immer noch schwoll der Ton an, bohrte sich in meine Ohren, hörte nicht auf, mich zu rufen. Er drängte mich, ärgerte mich, lockte mich, ließ mich nicht fort. Ich wollte dorthin. Ich musste dorthin.
    Und dann war ich dem Ton ganz

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