Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
Arme aus. »Schalom«, rief er fröhlich. »Ich erwarte euch schon seit gestern. Ist zu Würzburg alles gut gegangen? Aber was frag ich, kommt herein, kommt herein. Mein Haus ist das eure!«
Die vier Reisenden traten in die getäfelte Stube und ließen sich von Elkan Liebmanns Tochter Rebekka mit heißem Wein begrüßen. Einen kalten Tag lang waren sie von Würzburg aus mainabwärts gefahren und völlig ausgefroren. Aber auf dem Fluss ging die Reise schneller als zu Pferde, und Ezzo konnte es gar nicht erwarten, Riedern endlich in Besitz zu nehmen. Von Miltenberg aus waren es höchstens noch zwei Wegstunden, und die würden sie am nächsten Tag schnell zurückgelegt haben.
»Ja, alles hat sich zum Besten ergeben«, erzählte Sara und blies auf den dampfenden Wein in ihrem Becher. »Der Vertrag ist gesiegelt, und auch die Urkunde, in der ich Ezzo den Besitz vermache. Er ist jetzt Herr von Riedern. Sein Onkel weiß davon nichts, er glaubt immer noch, ich sei die neue Burgherrin. Zornentbrannt ist er noch vor uns aus Würzburg aufgebrochen.«
»Ei, zu Lauda wird er sich schon wieder beruhigen. Er ist gar nicht so schlecht aus seiner misslichen Lage herausgekommen, schließlich hat er jetzt keine Schulden mehr und ihm bleibt noch Geld vom Kaufpreis übrig«, meinte Elkan Liebmann. »Und nun setzt euch, meine Freunde, auf dass wir unseren Erfolg mit einem schönen Abendmahl krönen. Rebekka hat einen wunderbaren Eintopf aus Mainfischen und Rüben auf dem Herd. Und wenn ihr dann gut gestärkt und ausgeschlafen seid, könnt ihr morgen weiterreisen, sofern der Winter euch lässt.«
Während des Abendessens beschlich Sara wieder die innere Unruhe, die sie schon unterwegs gespürt hatte. Sie machte sich Gedanken über den bevorstehenden Einzug in Riedern. Wie würde man sie wohl als neue Burgherrin empfangen? Was würden die Leute tun, wenn sie von ihrem Verhältnis mit Ezzo erfuhren? Aber das war es nicht allein. Sara hatte das Gefühl, alles sei bisher viel zu einfach gewesen. Die Verhandlungen mit Friedrich von Riedern, seine Einwilligung in den Verkauf der Güter, die Unterzeichnung des Vertrags. Wenn es stimmte, was Ezzo von seinem Onkel erzählte, dann sah es ihm gar nicht ähnlich, so klaglos aufzugeben. Hoffentlich geht alles gut, dachte Sara und versuchte, sich ihre Sorgen nicht anmerken zu lassen.
In der Frühe stand sie als Erste auf und half der Haustochter beim Anschüren. »Wollt Ihr nicht nach dem Morgenmahl mit uns in die Synagoge gehen?«, fragte Rebekka, während sie das Reisig aufschichtete. »Es ist diejenige, die Riedern am nächsten liegt, also werdet Ihr vielleicht in Zukunft öfter zu uns kommen. Ihr könntet gleich die neun Familien kennenlernen, aus denen sich unsere Gemeinde zusammensetzt.«
Sara nickte. »Ich habe gehört, dass das Miltenberger Bethaus eines der altehrwürdigsten hierzulande ist.«
»O ja, es wurde vor bald hundertfünfzig Jahren gebaut und im Gegensatz zu den meisten anderen nie zerstört. Und wir haben einen wunderbaren Thoraschrein, ein ganz besonderes Kunstwerk.«
So brachen sie später auf, Elkan Liebmann, seine Tochter Rebekka und Sara. Jochi war wegen der Aufregungen der Reise zu unruhig für die Synagoge, also versprach Ezzo, derweil auf sie aufzupassen. Er küsste Sara flüchtig zum Abschied und setzte sich dann zu Jochi und Finus in die Wohnstube, wo sie gut gelaunt Karnöffel spielten und Jochebed wie üblich gewinnen ließen.
Das Miltenberger Bethaus stand am Nordabhang des Schlossbergs gleich unterhalb der Burg. Es hatte einen Hof und einen Garten mit Brunnen; im Gebäude nebenan wohnte von alters her der Schulklopfer. Wie die meisten Steinhäuser der Stadt war die Synagoge aus rotem Mainsandstein erbaut. Der Eingang lag im Westen, sein Giebel war mit einer Rosette geschmückt, die sieben fünfblättrige Rosen zeigte, von Weinlaub umrankt. Sara erfüllte schon der Anblick des alten Gebäudes mit einer seltsamen Ehrfurcht, und so trat sie still ein.
Drinnen in dem fast quadratischen Raum saß schon ein Großteil der männlichen Gemeinde unter dem doppelten Kreuzrippengewölbe. Der kunstvoll verzierte, spitzgiebelige Thoraschrein stand an der Ostwand, bekrönt von einem kreisrunden Oculus zwischen zwei Spitzbogenfenstern. Die Bima hatte ein wunderschön geschnitztes Lesepult aus Lindenholz; ihr Geländer glänzte von den Berührungen unzähliger Hände. Sara begab sich zusammen mit Rebekka hinter die weißen Vorhänge, die das Frauenabteil vom Hauptraum
Weitere Kostenlose Bücher