Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
– Pater Meingolf ist vor drei Jahren gestorben – ganz eifersüchtig ist, weil er unter seinen Schäfchen weniger gilt als sie.
Finus, ja, der ist ein stattlicher junger Mann geworden, gutaussehend und immer noch ein rechter Kindskopf. Inzwischen überragt er Ezzo um eine ganze Spanne! Der einzige Mensch, vor dem er Respekt hat, ist Janka, und die zieht ihm manchmal gehörig die Löffel lang, wenn er wieder über die Stränge geschlagen hat. Die Dorfschönheiten werden rot, sobald er auftaucht, und auch auf der Burg hat er die eine oder andere, die ihm Augen macht. Er selber liebt das Spiel mit dem Feuer und hat noch gar keine Lust, sich festzulegen. Am wichtigsten auf der Welt sind ihm seine beiden Falken, mit denen er so manchen Fang heimbringt und so zum täglichen Speisezettel beiträgt. Seit etlichen Jahren steht er Ezzo aber auch beim Verwalten der Ländereien zur Seite, was uns alle zu der Überzeugung gebracht hat, dass aus dem wilden Springinsfeld doch noch irgendwann einmal etwas wird. Zusammen haben sie es so weit gebracht, dass von der alten Misswirtschaft nichts mehr im Land zu spüren ist und wir von den Abgaben der Hintersassen gut leben können. Die Bauern auf Riedern sind wieder zufrieden, und das fruchtbare Land schenkt großzügig, was alle brauchen. Die Leute erzählen sich überall, mit Ezzo sei wieder die alte gute Ordnung eingekehrt.
Ezzo – was soll ich sagen? Er ist mein Mann, auch wenn ich nie mit ihm unter der Chuppa gestanden habe – und er nicht mit mir vor dem Priester. Die Liebe ist nicht weniger geworden mit den Jahren, sie macht unser Leben reich, obwohl es oft nicht einfach ist. Jeder weiß natürlich, wie es mit uns steht, so etwas lässt sich nicht geheim halten, und die meisten Menschen, mit denen wir zu tun haben, haben sich daran gewöhnt. Dennoch gibt es auch einmal böse Blicke, ja, hin und wieder schlagen uns auch blanker Hass und Bosheit entgegen. Der Adel meidet uns, wo es geht, und wir haben nur wenige Freunde – dafür aber gute. Der neue Dorfpriester kann sich nicht mit unserer Verbindung abfinden, er sieht mich jedes Mal schräg an, wenn wir uns begegnen. In seinen Augen ist das, was wir tun, Sünde. Er hat sogar versucht, Ezzo dazu zu bringen, mich fortzuschicken, worauf der ihn vor die Wahl gestellt hat, das Dorf zu verlassen oder Ruhe zu geben. Immer wieder beweist er mir so seine Liebe, und ich vergelte es ihm gern mit meiner.
Wir wissen beide, dass unser Glück ein Tanz auf dünnem Eis ist. Sollten sich Christen je wieder gegen Juden wenden wie damals bei den Kreuzzügen oder im Zuge der Pest, dann werden wir die Ersten sein, die den Preis bezahlen. Aber was zählt das schon, wenn man liebt und wiedergeliebt wird?
Und was zählt überhaupt an Sorgen und Widrigkeiten, wenn man in ein Paar strahlender Kinderaugen blickt? Ja, der Himmel hat unseren ungewöhnlichen Bund sichtbar gesegnet: Wir haben eine Tochter, unser größter Schatz. Sie wurde geboren zwei Sommer nachdem wir in Riedern heimisch wurden, in einer warmen Nacht im August. Ezzos Augen hat sie, dazu das energische Kinn meiner Mutter und mein lockiges, rotbraunes Haar. Von wem ihre Wildheit kommt und ihr überschäumendes Wesen, darüber streiten wir manchmal im Scherz. Dann wirft Ezzo mir vor, ich sei zu streng, und ich ihm, er ließe ihr alles durchgehen. Wie alle Väter lässt er sich von seiner Tochter um den Finger wickeln, und Judith nützt das nur zu geschickt aus. Wir haben sie so genannt, weil dieser Name bei Christen und Juden gebräuchlich ist. Und wir haben sie taufen lassen, weil wir wollen, dass sie niemals das durchmachen muss, was ich erlebt habe. Sie wächst mit dem Wissen beider Seiten auf, kennt Sonntag und Schabbat, Ostern und Pessach, Erntedank und Sukkot. Ja, ein merkwürdiges Leben führen wir, es ist eine Mischung aus den guten Gebräuchen beider Religionen. Ezzo liebt inzwischen den Schabbat, und wir pflegen das friedliche Zusammensein so, wie ich es kenne – aber am Sonntag. Er geht mit unserer Tochter in die Kirche, und ich richte es mir manchmal so ein, dass ich zu den hohen jüdischen Feiertagen unsere Freunde zu Würzburg besuche und mich dort in die Synagoge mitnehmen lasse. Auch Judith war schon mit dabei und hat sich über die hübschen Kindermöbel gewundert, die dort im Bethaus stehen, und darüber, dass die Kinder dort spielen und auch einmal laut sein dürfen. An Pessach haben wir den schönen christlichen Brauch übernommen, Eier zu färben und zu
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