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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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unabänderlichen Ratschluss von den Lebenden abberufen worden ist.« Father Padraig schlug mit trauriger Miene das Kreuz. »Im letzten Winter, als das Fieber umging und einige unserer Brüder mit sich riss. Der Herr sei ihrer Seele gnädig.«
    »Das kann nicht wahr sein!« Sir Latimer sprang auf.
    Der Abt breitete die Arme aus. »Ich will Euch gern zu seinem Grab führen, wenn es Euch beliebt.«
    »Ich bitte darum«, erwiderte der Engländer. Er wirkte verunsichert. Durfte er dem Abt glauben? Wenn es stimmte, was er sagte, war das Problem erledigt, und er konnte mit einer guten Nachricht nach London zurückkehren. Aber diesen Iren war nicht zu trauen. Vielleicht führte der Alte ihn ja an der Nase herum?
    Father Padraig erhob sich ächzend, griff nach seinem Gehstock und tappte voraus, eine kleine, gebückte Gestalt in dunkler Kutte. Er führte die beiden Männer über den Friedhof, vorbei an uralten, verwitterten Grabsteinen, vorbei an den Kapellen und den drei Hochkreuzen bis zum Begräbnisareal für die Mönche. Bei sieben vor nicht allzu langer Zeit frisch angesäten Grashügeln blieb er schnaufend stehen.
    »Es gibt keinen Grabstein«, stellte Sir Latimer mit verkniffener Miene fest.
    »Die einfachen Mönche und Novizen haben bei uns keine Grabsteine«, erwiderte der Abt mit bescheidenem Lächeln. »Wir sind die niedrigsten Diener des Herrn und nicht so wichtig, als dass man unsere Namen in späteren Zeiten noch kennen müsste.«
    »Also kein Beweis«, sagte der Leibwächter und spuckte aus.
    »Das Wort des Abtes von Clonmacnoise muss Euch schon genügen, Ihr Herren.« Father Padraig begegnete den zweifelnden Blicken der beiden Männer mit einem liebenswürdigen Lächeln.
    Sir Latimer dachte einen Augenblick nach. »Nun gut«, sagte er dann, »ich glaube Euch. Hat der junge Mann irgendwelche Besitztümer hinterlassen?«
    Der Abt schüttelte den Kopf. »Och, wie soll er etwas besessen haben? Er kam nackt und bloß wie unser Herr Jesus im Kloster an. Was er hatte, trug er am Leib. Und die Kleider der Toten haben wir damals im Winter verbrannt, wegen der Ansteckung … «
    Der Engländer nickte langsam. »Natürlich.«
    »Es tut mir leid, dass ich Euch und der Krone nicht besser helfen konnte.« Father Padraig sah betrübt drein. »Mir bleibt nur, Euch die Gastfreundschaft unseres Klosters anzutragen, solange Ihr bleiben mögt.«
    Zu des Abtes Erleichterung schüttelte Sir Latimer den Kopf. »Danke, aber wir möchten uns nicht länger aufhalten als nötig. Unser Schiff wartet im Hafen von Dublin. Lebt wohl, und Gott mit Euch.«
    »Slán ágat«, lächelte Father Padraig und machte eine segnende Handbewegung. »Go dtuga Dia slán abhaile thú – möge der Herr Euch sicher nach Hause geleiten.«

    Der Abt sah seinen gefährlichen Besuchern nach, wie sie sich auf ihre Pferde schwangen und in Richtung Tor davonritten. Dann machte er sich auf den Weg zu den Wohnstätten der Mönche.
    Er brauchte nicht lange nach Ciaran zu suchen. Schon von Weitem lenkte leise Harfenmusik seine Schritte zu der Hütte, die der Melaghlinkapelle am nächsten lag. Ein paar junge Männer saßen oder lagen im Gras und lauschten den Tönen, die ein dunkellockiger Novize mit langen, zarten Fingern seiner Clairseach entlockte. Er saß auf einem hölzernen Dreibein, das Instrument auf den Knien, und spielte mit geschlossenen Augen, wie in weite Fernen entrückt. Sein Gesicht war fein gezeichnet, fast mädchenhaft, mit heller Haut, die sich auch in der Sonne nicht tönte, und einer Ansammlung hübscher Sommersprossen um die Nase. Genau die Sorte Jüngling, dachte der Abt, deren Anblick manche Mönche in Versuchung führen konnte. Oh, Father Padraig wusste durchaus Bescheid, was sich in manchen Hütten des Nachts abspielte, und er kannte genau diejenigen Schäfchen in seiner Herde, die zu schwach waren, um der Sünde Sodoms zu widerstehen.
    Jetzt begann Ciaran, zu singen. Er besaß eine tiefe, kristallene Stimme wie weicher Samt. Er sang von Finbar, dem Feenkönig von Ulster, der sich zu sterblichen Frauen hingezogen fühlte. Diejenigen, in die er sich verliebte, versetzte er durch Zauber in seinen Feenpalast, wo sie ihr irdisches Leben vergaßen und seine Geliebten wurden. Nur Céit, die Schönste, konnte den jungen Fischer nicht vergessen, dem sie versprochen war. Sie floh aus der Anderwelt, doch als sie deren Grenze überschritt, verwandelte sie sich in eine Greisin. Der Tag, den sie vermeintlich im Feenland verbracht hatte, war in der

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