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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Menschenwelt ein ganzes Leben gewesen.
    Father Padraig hielt sich abseits und hörte zu. Sollte er dem ahnungslosen Ciaran von den englischen Besuchern erzählen, ihm seine Herkunft offenbaren? Er zögerte. Würde dem Jungen das Wissen darum, dass er Sohn eines vermutlich ermordeten, ketzerischen englischen Adeligen war, den Frieden rauben? Ihn gar von seinem Entschluss, Mönch zu werden, abhalten? Dabei war er ein so vielversprechender Nachwuchs … Der Abt kratzte sich am spärlichen grauen Haarkranz. Er beobachtete, wie Ciaran die Harfe wegstellte und mit seinen Zuhörern ein fröhliches Gespräch begann. Die jungen Männer, die ihm so andächtig gelauscht hatten, waren ausländische Mönche, die sich als Gäste im Kloster aufhielten. Padraig erkannte den kleinen spanischen Buchmaler, einen deutschen Übersetzer irischer Schriften, einen dicklichen Italiener und diesen blonden Franzosen aus der Aquitaine, Frère Baptiste, der sich in der Bruderschaft am Shannon so gut eingelebt hatte, dass er kürzlich gebeten hatte, bleiben zu dürfen. Sie alle waren Ciarans Freunde, denn er war nicht nur ein begnadeter Musiker, sondern auch ein Talent, was Sprachen betraf. Schon seit Jahren arbeitete er gemeinsam mit den ausländischen Gästen des Klosters an Übersetzungen aus dem Lateinischen, Englischen und Deutschen, um ihn versammelte sich die kleine Gemeinde der fremden Mönche. Er war hier aufgewachsen, und er hatte den festen Glauben, der einen Mann Gottes ausmachte. Niemand passte in die klösterliche Gemeinschaft von Clonmacnoise besser hinein als er. Father Padraig schüttelte den Kopf. Nein, er würde dem jungen Ciaran nichts sagen. Wo auch immer das Vermächtnis von John Wyclif verborgen lag – die Möglichkeit, dass Ciaran dieses Geheimnis lüften konnte, war gering. Für die Männer der Krone galt er nun als tot, und die Lollarden wussten nichts von seinem Aufenthaltsort. Niemand würde ihn hier im Herzen der Grünen Insel finden.
    »A Chiaran«, murmelte er leise vor sich hin, als ob er zu dem jungen Novizen spräche, »mögest du dem Herrn ein Wohlgefallen und unserem Kloster eine Zierde sein.«
    Mit langsamen Schritten ging der Abt zurück zum Refektorium.

Buda, Frühjahr 1406
    Es war einer dieser milden, in Sonnenlicht getauchten Frühlingstage, an denen der Winter nur noch eine unwirkliche, ferne Erinnerung schien. Überall brach mit Macht helles, saftiges Grün hervor, das den Augen wohl tat, auf Wiesen, Feldern, Büschen und Bäumen. Die Vögel in den Donauauen hatten es geschäftig, überall Geflatter, Zwitschern und Piepen, Lämmer hüpften und buckelten übermütig in den Pferchen, Hummeln brummten suchend über den Boden. Sogar der alte Zeno spitzte die Ohren und hob beim Trab die Beine höher als sonst. Ezzo lenkte seinen Schwarzen am Fluss entlang, den Falken vor sich auf dem Sattelgestänge. Er hatte ihm die Haube übergestülpt – zu viele Wasservögel flogen umher, als dass Brun sonst hätte ruhig bleiben können. Leise, besänftigende Worte murmelnd trieb Ezzo sein Pferd voran, geradewegs auf die Mauern der Stadt zu, die in der Ferne vor ihm aufragten. Seine Anspannung stieg mit jeder Meile, die er zurücklegte. Das Ziel seiner langen Reise stand ihm greifbar nah vor Augen: Buda, die alte Stadt an der Donau, Residenz des Königs und damit Zentrum der ritterlichen Welt.
    Als er durch das Wiener Tor ins Burgviertel einritt, hätte Ezzo laut jubeln mögen, so glücklich war er. Staunend betrachtete er die prächtigen hochgiebeligen Bürgerhäuser, die Werkstätten der Goldschmiede, die vielen Geschäfte, Läden und Buden, die trutzigen Wohntürme des Stadtadels. Es war ihm ganz gleich, dass er im Gewirr der Gassen die Orientierung verlor, nur weiter, nur schauen wollte er. Das schöne Wetter hatte die Menschen aus ihren Häusern getrieben, alles, was Beine hatte, bevölkerte die Straßen und Plätze. Die Menschen trugen fremde Tracht, farbenfroh und mit merkwürdigen Hüten. Auf dem Markt mit seinen Krambuden und Verkaufsständen herrschte ein unglaubliches Getümmel, alles schrie durcheinander, auf Deutsch, auf Magyarisch und in allen möglichen anderen Sprachen. Am lautesten brüllten die Fischhändler. Sie boten Welse, Zander, Karpfen und Stör so frisch aus der Donau an, dass der Fisch noch mit der Schwanzflosse schnalzte.
    Ezzo bahnte sich seinen Weg durch die Menge, ohne zu wissen, wohin. Auf seiner Reise war er durch viele Städte gekommen, die größte davon das reiche Nürnberg. Die

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