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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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sprangen alle von ihren Plätzen auf und stürmten lachend und weinend auf den Besucher zu. Salo war heimgekehrt.

    »Schön bist du geworden, meine Sara.« Salo stand vor ihr und fasste sie um die Taille. »Ich habe ein kleines Mädchen zurückgelassen und finde eine Frau wieder.«
    Sie konnte es immer noch nicht fassen. Die Tränen liefen ihr übers Gesicht, und sie hatte einen so dicken Kloß im Hals, dass sie daran zu ersticken glaubte. Natürlich warteten alle gespannt darauf, was ihre ersten Worte an Salo sein würden. Als Braut musste sie ihn schließlich gebührend empfangen. Aber ihr fiel einfach nichts ein, sie stand da, grade so wie Lots Frau, zur Salzsäule erstarrt. »Bekomme ich keinen Willkommensgruß?«, lachte Salo. »Hast du mich am Ende schon vergessen, treuloses Weib?«
    Da fiel die Starre von ihr ab. Alle Anstandsregeln waren ihr egal, sie warf die Arme um Salos Hals, was wegen seiner Größe gar nicht so einfach war, drückte den Kopf an seine Brust und schluchzte hemmungslos vor lauter Glück.
    »In drei Tagen ist Hochzeit!«, rief Salo, und alle klatschten Beifall.
    In dieser denkwürdigen Nacht ging niemand mehr zu Bett. Salo musste sich ans Kopfende des Tisches setzen, essen, trinken und erzählen. So viel hatte er zu berichten, dass eine einzige Nacht dafür gar nicht ausreichte. Alle lauschten seinem Bericht, nur Sara saß da und bekam nichts mit von seinen Worten. Sie konnte ihn nur anschauen, diesen wunderbaren Mann, der ihr so vertraut und gleichzeitig so fremd schien. Wie erwachsen er aussah, dachte sie. Seine Züge waren kantiger und rauer geworden in den vergangenen Jahren, seine Schultern breiter, seine Bewegungen eckiger, männlicher. Sara sah ihn die Lippen bewegen und hörte doch nicht, was er sagte. Ihr schien dies alles ein Traum. Wie konnte es sein, dass ihr Salo plötzlich wieder gegenübersaß, als sei nichts gewesen? Keine ewige Zeit des Wartens und der Sehnsucht?
    Irgendwann sah er sie an, lächelte, zwinkerte ihr zu. Ach, und dann fiel die Traurigkeit über die lange Trennung von ihr ab, endlich, und machte dem Glück Platz. Eine unaussprechliche Freude überschwemmte sie wie eine Rheinwoge, nahm alles ein, was sie war, fühlte und dachte. Sie hätte schreien, jubeln, jauchzen mögen, aber natürlich ging das nicht vor der versammelten Gesellschaft. Wieder traf ihr Blick auf den ihres geliebten Salo, einen Moment lang ruhten ihre Augen ineinander. Salo geriet mit seiner Erzählung ins Stocken, so tief und inbrünstig war dieser Austausch gewesen. Und dann, als die Ersten schon gegangen waren, fanden die beiden Liebenden endlich einen kurzen Augenblick für sich selbst. Sara war in den Hof gegangen, um in dem großen Schaff Wasser zu schöpfen, da stand er auch schon hinter ihr, im Dunkel der Nacht. Er umfing sie, sie ließ den Krug fallen, und dann küsste er sie so hungrig und atemlos wie ein Mann, der vier Jahre lang auf die Liebe gewartet hatte. Sara spürte, wie alles um sie herum versank, gab sich diesem Kuss hin und wünschte sich, er möge nie zu Ende gehen. Doch dann trat einer der Gäste aus der Tür und riss die beiden aus ihrer Umarmung. »Ei, hier bist du, Salo!«, rief er laut, »Komm, du musst weitererzählen!«
    Salo löste sich widerstrebend von Sara, und dann gesellten sich die beiden wieder zu den anderen, glücklich, dass sie sich wiedergefunden hatten.

    Drei Tage später ging Sara in Begleitung aller Frauen, die zur Familie gehörten, in die Mikwe, um die traditionelle Reinigung vorzunehmen. Es war kurz nach Sonnenaufgang und noch empfindlich kalt; der Reif auf den Dächern der Stadt glitzerte im hellen Schein der Morgensonne. Wie es das Gesetz befahl, wusch sich die angehende Braut sorgfältig am ganzen Körper, ehe sie, Lobsprüche rezitierend, ins Wasser tauchte. Die Eiseskälte des Bades hatte ihr Gutes, denn Sara war müde; vor Aufregung hatte sie in den letzten Nächten kaum geschlafen. Jetzt fühlte sie sich frisch und hellwach.
    Unter festlichen Gesängen marschierte die weibliche Sippschaft wieder ins Haus der Braut, wo für Sara bereits ein geschmückter Stuhl bereitstand. Sie ließ sich mit einem kleinen, wehmütigen Seufzer darauf nieder, denn sie wusste, was nun kommen würde: Ihre Mutter trat mit der Schere hinter sie und begann, eine lange dunkle Strähne nach der anderen abzuschneiden. Die entsetzt aufkreischende Jochebed versuchte, sie daran zu hindern, doch die anderen Frauen hielten das Mädchen lachend zurück. Es war nun einmal

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