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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Tageslicht, lagen engumschlungen da und waren einfach nur unendlich glücklich. Alles schien so einfach, so selbstverständlich. Unser Weg schien vorgezeichnet, der Weg eines liebenden Paares, dem das Leben nur Gutes und Schönes bringen würde.
    Dann kam der Tag, an dem er sich plötzlich wieder unwohl fühlte. Am Abend aß er kaum etwas von dem guten Lammeintopf, den ich gekocht hatte, klagte über Kopfschmerzen und Müdigkeit. Wir gingen früh zu Bett und schliefen wie immer Hand in Hand ein, mein Kopf auf seiner Brust.

    Zwei Stunden später phantasierte er. Ich ließ sofort Rechla holen, und gemeinsam taten wir alles, was in unserer Macht stand. Wir brauten ihm Kräutertränke, um das Fieber zu senken, wuschen ihn am ganzen Körper mit lauwarmem Salzwasser. Löffelweise träufelte ich ihm Himbeerwasser ein, während sie ihm kalte Wickel anlegte. Am Ende beteten wir. Drei Tage kämpften wir um Salos Leben, umsonst.
    Er starb in meinen Armen, hörte einfach auf, zu atmen. Es war die Nacht des 20. Adar.
Erhoben und geheiligt sei Sein großer Name,
in der Welt, die er erneuern wird.
Er belebt die Toten und führt sie empor zu ewigem Leben.
Er erbaut die Stadt Jeruschalajim
und errichtet Seinen Tempel auf ihren Höhen.
Er tilgt die Götzendienerei von der Erde
Und bringt den Dienst des Himmels wieder an seine Stelle.
Und regieren wird der Heilige, gelobt sei Er,
in Seinem Reich und Seiner Herrlichkeit,
in eurem Leben und in euren Tagen
und im Leben des ganzen Hauses Jisroel,
schnell und in naher Zeit.
Und sprechet: Amejn.
    Ich weiß nicht mehr, wie ich die nächste Zeit hinter mich brachte. Ich saß Schiwe, sieben Tage lang hockte ich auf einem Schemel, das Hemd über dem Herzen zerrissen. Ich wusch mich nicht, kämmte mich nicht, aß und trank kaum etwas. Wie Gespenster zogen die Mitglieder der Gemeinde mit ihren Beileidsbekundungen an mir vorüber. Sie brachten mir Leckerbissen, die ich nicht anrührte, und Umarmungen, die ich nicht spürte. An Salos Begräbnis kann ich mich kaum erinnern, nur daran, dass ich mich wunderte, wie mein großer, schöner Salo in diesen kleinen, schmalen Leinensack passen konnte. Alles weinte, nur ich nicht. Ich hatte keine Tränen mehr.

    Im zweiten Abschnitt der Schiwezeit, den dreißig Tagen, an denen ein Hinterbliebener wieder schrittweise ins Leben zurückkehren soll, begann ich mechanisch, meinen Aufgaben in der Familie nachzugehen. Danach arbeitete ich wieder im Hekdesch, um mich abzulenken. Ich konnte mir nicht vorstellen, jemals wieder glücklich zu sein. Die silberne Burg, die eine Zeitlang mein Zuhause gewesen war, gab es nicht mehr. Ich war achtzehn, und ich war Witwe.
    Die Trauerzeit verging irgendwie. Ich fühlte mich langsam besser, ertappte mich manchmal ganz schuldbewusst dabei, wie ich über irgendetwas lachte. Allmählich glaubte ich dem Rabbi, der zu mir gesagt hatte, dass das Leben weitergehen und ich eines Tages den Schmerz vergessen würde. Und dann, genau am ersten Todestag meines Salo, kamen seine Eltern und sein Bruder in unser Haus. Und alles wurde geregelt, wie es uralter Brauch war: Man gibt die Witwe dem Bruder ihres toten Mannes. Schon immer war es so gewesen, und in unserem Fall sah man es in der ganzen Gemeinde als Glück an. Zwei Menschen, die ihre Ehegatten verloren hatten, taten sich zusammen, auf dass alles gut werde. Amejn.
    Ich wollte nicht. Tagelang beschwor ich meine Eltern, weinte, raufte mir das Haar. Chajim war sehr aufmerksam zu mir. Er machte mir Geschenke und gab sich alle Mühe, aber ich mochte ihn noch immer nicht besonders. Ich wollte keine neue Ehe, und schon gar nicht mit ihm. Schließlich nahm mich meine Mutter beiseite. »Tochter«, sagte sie mit ernster Miene, »du musst ihn nehmen. Nicht nur, weil es eine Mizwa ist, der man Folge leisten muss, wenn sie eingefordert wird. Nicht nur, weil eine Weigerung eine Beleidigung der Familie deines toten Mannes wäre. Nein, da ist noch etwas anderes.« Sie nahm mich fest in die Arme und drückte mich an sich, während sie weitersprach. »Schau, dein Vater und ich sind alt. Ist dir nicht aufgefallen, wie grau wir geworden sind? Unsere Tage auf Erden sind gezählt, und was soll dann aus dir und Jochi werden? Du kannst im Hekdesch arbeiten und von dem leben, was dir die Gemeinde bezahlt, auch wenn es nicht viel ist. Aber kannst du dann auch für Jochi sorgen? Sie wird ihr Leben lang auf dich angewiesen sein.«
    Ich schüttelte verzweifelt den Kopf. »Aber ihr werdet noch lange leben,

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