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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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merkwürdig entrückt, fast schwerelos. Auf ein Zeichen des Abts hin warf er sich bäuchlings auf den nackten Steinboden und breitete die Arme aus. Er atmete flach und verharrte reglos, ohne die Kälte des Steins zu spüren.
    Und während im Dorf die jungen Leute um den Maibaum tanzten, sich in versteckten Winkeln unter Büschen und Bäumen liebten und so den alten Göttern huldigten, empfing Ciaran demütig und von tiefster Frömmigkeit erfüllt die heiligen Weihen.

Köln, Frühjahr 1408
    Manchmal schien es Sara erst ein paar Tage her zu sein, dass Salo die Stadt verlassen hatte, manchmal kam es ihr vor wie eine Ewigkeit. Oft ertappte sie sich dabei, wie sie rechnete. Fortgegangen war er im Monat Nisan des Jahres 5164, jetzt hatte man Ijar 5166. Dann Ellul 5167. Und nun schrieb man 5168. Mehr als vier Jahre waren vergangen, und inzwischen waren sie seit sechs Monaten ohne Nachricht. Salos letzter Brief, in dem er seine baldige Rückkehr angekündigt hatte, war völlig zerfleddert, so oft hatte Sara das Pergament auseinandergefaltet und die Zeilen gelesen. Langsam bekam sie Angst, Salo habe es sich anders überlegt oder es sei gar etwas Schlimmes geschehen. Dann, in ihren trübsten Augenblicken, sprach sie, als ob sie das Glück beschwören wollte, das alte Gebet: »Schma Jisroel J’hova eloheinu J’hova echad … Höre, Israel, der Ewige, unser Gott, der Ewige ist einzig … « Und sie dachte an Salos Briefe und den Ort, an dem er mit ihr leben wollte. Eine silberne Burg! Die Vorstellung gefiel ihr. Natürlich wusste sie, dass es keine wirkliche Burg war, eher ein geistiger Ort, ein Zuhause für die Seele. Der Gedanke, diese innere Heimat zusammen mit Salo zu finden, gab ihr Trost und Zuversicht. Jochebed war diejenige in der Familie, die am besten spürte, wann sie Zuspruch brauchte. Dann warf die Kleine ihre pummeligen Ärmchen um Sara und sagte: »Salo … bald.« Sie musste dann jedes Mal fast weinen.

    Dann kam der 14. Adar, der Tag des Purimfestes. Sara war nicht in der rechten Stimmung, denn Purim war das fröhlichste, ausgelassenste Fest, das die jüdische Religion kannte, eine Gelegenheit, um üppig zu essen, noch mehr zu trinken, Lärm zu machen und Masken zu tragen. Es war auch und vor allem das Fest der Kinder, die sich jedes Jahr aufs Neue darauf freuten.
    Am Morgen versammelte sich alles in der Synagoge. Wie immer ging Jochebed an Saras Hand dorthin, und wie immer bestand sie darauf, dass ihr Sara schon vor dem Gottesdienst die Geschichte Esthers erzählte, deren kluge Fürbitte einst ihren Glaubensgenossen das Leben gerettet hatte. Sara, in düsteres Brüten versunken, hatte wenig Lust, es ihrer Schwester recht zu tun, doch Jochebed, je älter sie wurde, konnte schnell regelrechte Wutanfälle bekommen, bei denen sie laut brüllte und um sich schlug. Also gab Sara nach.
    »Vor langer, langer Zeit und in weiter Ferne, im Reiche des Kaisers Ahasver, lebte ein böser Minister namens Haman. Er kannte einen Juden, der hieß Mordechai, und den mochte er gar nicht leiden. Also beschloss er aus lauter Hass, alle Juden im Reich zu töten. Er heckte einen gemeinen Plan aus und überredete den Kaiser Ahasver, dem Mordplan zuzustimmen. Der Tag, an dem alle Juden grausam umgebracht werden sollten, wurde durch ein Würfelspiel bestimmt – weißt du, Würfel nennt man auf Hebräisch Purim. Aber Mordechai hatte eine Nichte, die hieß Esther. Der Kaiser hatte sie zu seiner Ehefrau erwählt, und auf Mordechais Bitten hin flehte sie ihren Mann an, die Juden zu verschonen. Der konnte zwar seine Zustimmung zum Mord nicht mehr rückgängig machen – ein Kaiser fällt schließlich keine falsche Entscheidung! –, aber er erlaubte den Juden, sich mit Waffen zu verteidigen. Und als dann der große Angriff des bösen Haman kam, kämpften die Juden tapfer und stolz. Und – sie siegten. Ja, und deshalb feiern wir jedes Jahr Purim, um an diesen herrlichen Sieg zu denken.«
    Jochebed lachte übers ganze Gesicht. Sie hüpfte in ihrer tapsigen Art die Treppen hoch, die zum Frauenbereich der Synagoge führten. Er lag im ersten Stockwerk und war durch ein hölzernes Gitter vom Gebetsraum abgetrennt. So hielt der Anblick der Frauen die Männer nicht von der Andacht ab, aber diese konnten durch das Gitter alles hören, was drunten vorgelesen wurde. Sara spähte durch die Gitterstäbe nach unten und warf einen Blick auf den steinernen Almemor, der in der Mitte des Raumes stand. Die Männer saßen schon fast alle auf ihren Plätzen,

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