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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Vorzeichen.
    Der Gesang erstarb, und alle saßen wie gelähmt. Father Tomás fing sich als Erster wieder. »Es war nur der Sturm, der sich in den Mauern der Normannenfestung fängt«, sagte er, und nicht einer im Raum glaubte ihm. »Lasst uns beten«, murmelte er schließlich und begann mit dem lateinischen Vaterunser.

    Es war schon spät, als sich die Versammlung im Refektorium auflöste. Keiner der Mönche war erpicht darauf, in dieser Nacht schlafen zu gehen, aber irgendwann war das Feuer lautlos niedergebrannt und die Talglichter erloschen. Ciaran ging als einer der Letzten, die Harfe in ihrem dunklen Lederfutteral unter den Arm geklemmt.
    Draußen stürmte es immer noch, aber der Regen hatte aufgehört. Immer wieder gaben die jagenden Wolken für einige Augenblicke den vollen Mond frei, um ihn gleich darauf wieder zu verschlucken. Ciaran stemmte sich gegen den Wind und schlug den Weg ein, der an den Kapellen vorbei und dann über den Friedhof zu seiner Hütte führte. Eilig lief er durch die Nacht.
    Schemenhaft konnte er das Südkreuz vor sich erkennen und bog gleich danach bei einer leeren Hütte rechts ab, als er plötzlich hinter sich ein Geräusch hörte. Er drehte sich um, und das war sein Glück, denn im selben Augenblick verfehlte ein harter Schlag seinen Kopf, traf nur die Schulter und riss ihn zu Boden. Benommen versuchte er, sich aufzurichten, da spürte er einen schweren Hieb gegen seinen Oberarm. Wie ein Blitz durchfuhr ihn der Schmerz, es musste ein Messerstich gewesen sein. Herrgott, da wollte ihn jemand umbringen!
    Ciaran schrie, aber er wusste auch, dass der Wind seine Hilferufe verwehen würde. Er ließ die Harfe fallen und versuchte, zu laufen. Hinter ihm zischte jemand auf Englisch: »Er lebt noch!«, und dann setzten sie ihm nach. Es waren zwei Angreifer, soviel war Ciaran klar, und sie hatten Dolche. Irgendwo in der Dunkelheit waren sie hinter ihm. Die Todesangst verlieh ihm Flügel; er rannte in die Richtung, wo die Hütten lagen. Wenn sie ihn einholten, war er verloren, das wusste er. Er war kein Kämpfer, und er hatte nur sein Essmesser am Gürtel. Dann stolperte er und fiel hin. Einer seiner Verfolger versuchte ihn zu packen, aber er kroch mit verzweifelter Behendigkeit rückwärts, bis er mit dem Rücken gegen etwas Hartes stieß und nicht mehr weiterkonnte. Ein Grabstein. »Was wollt ihr von mir?«, keuchte Ciaran und zog sein lächerlich kleines Messer. Einer der Männer knurrte: »Sprich dein letztes Gebet, Ketzerbrut!« In diesem Augenblick brach der Mond durch die Wolken. Ciaran sah eine riesige Gestalt über sich, den Arm zum tödlichen Stoß erhoben. Er schrie, gleichzeitig schrie noch jemand. Da war ein Schatten, und dann war ein dumpfer Schlag zu hören. Der Angreifer brach zusammen wie ein gefällter Baum.
    »Wehr dich, du Dummkopf!« Der schmächtige Geschichtenerzähler brüllte Ciaran durch den Wind an. »Greif dir seinen Dolch, schnell!«
    Ciaran erwachte aus seiner Erstarrung. Im Mondlicht sah er die Klinge neben sich auf dem Boden schimmern, aber er konnte sie nicht mehr erreichen, denn der zweite Angreifer stürzte sich jetzt auf ihn. Die beiden wälzten sich stöhnend im hohen, nassen Gras; Ciaran gelang es lediglich, mit beiden Händen den Unterarm des Mannes zu packen und ihn daran zu hindern, zuzustechen. Über ihnen stand derweil mit erhobenem Knüppel der alte Conn und wartete in aller Seelenruhe, bis der richtige Kopf oben war. Dann sauste der armdicke Shillelagh nieder. Trotz des brausenden Sturms war ein hässliches Knacken zu hören und Ciaran spürte, wie der Mann über ihm erschlaffte. Schwer atmend rollte er sich unter dem Körper vor und blieb kraftlos auf dem Rücken liegen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Conn, und Ciaran nickte. Der Geschichtenerzähler kicherte leise. »Jaja, auf meinen alten Freund hier ist Verlass«, gluckste er und strich liebevoll über seinen Schwarzdornstock. »Es gibt nichts Besseres zum Schädeleinschlagen. Hab ihn lang nicht mehr benutzt, den Dicken, aber er kann’s noch!«
    Ciaran rappelte sich auf. »Sind die beiden tot?«
    »Das will ich meinen«, knurrte der Alte. »Die hab ich richtig gut getroffen. Wär ja noch schöner, wenn die Banshee nicht recht behalten hätte – obwohl sie mit ihrem Lied wohl eher dich gemeint hat. Aber hin ist hin, was?« Wieder kicherte er. »Wer hätte das gedacht, dass ich auf meine alten Tage nochmal richtig zuschlagen darf, und das ausgerechnet im Kloster! Kannst froh sein, dass ich

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