Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
meistens waren nur die Weibchen zur Beiz zu gebrauchen. »Ich hab mehr als zwei Jahre täglich mit ihm gearbeitet«, erzählte Ezzo eifrig. »Er geht fast noch besser auf Rebhuhn und Fasan, sogar auf Reiher!« Er wagte es und ritt zur Königin hin, streckte die Hand aus und berührte den Falken zärtlich, als seien es nicht seine Federn, sondern ihre Haut, die er unter den Fingerspitzen spürte.
»Er mag es, wenn man ihn im Nacken krault, hier.« Brun hielt gern still, man sah ihm an, wie sehr er die Liebkosung genoss.
»Ihr müsst eine besondere Gabe haben, Herr Ezzo«, lächelte Barbara von Cilli, »dass Euch der Falke so liebt.«
Später saß die Jagdgesellschaft träge unter den Ästen einer großen Trauerweide. Im Schatten waren auf Decken mitgebrachte Pasteten, Käse und Obst ausgebreitet; dazu trank man ungarischen Wein, der im Donauwasser kühl gelegen hatte. Bündel von toten Wildenten hingen an den Sätteln, die Hunde lagen zufrieden hechelnd da, und die Falken hockten behaubt und mit Fleischstückchen satt gefüttert auf ihren Gestängen.
Ezzo hatte die ganze Rast über seine Augen nicht von der Königin lassen können, die nicht weit von ihm auf einer ausgebreiteten Decke saß. Sie hatte das Haar gelöst und die Handschuhe ausgezogen – eine Freizügigkeit, die schon einen gewissen Mut erforderte! Wie eine Waldnymphe sah sie aus, ein Stück reinster Natur, ein Weib, das vollkommen Weib war. Einer der Hunde schmiegte sich an ihre Seite, während sie sich von ihren Hofdamen Apfelstückchen reichen ließ. Ezzo nahm diesen Anblick tief in sich auf. Wer weiß, wann ich sie wieder einmal so sehe, dachte er. Und er fragte sich, ob er je eine andere Frau würde lieben können. Natürlich war die Königin unerreichbar für ihn, er konnte niemals auf die Erfüllung seiner geheimsten Wünsche hoffen. So war sie nun einmal, die ritterliche Minne, die höchste Spielart der Liebe. Der Ritter und seine Dame konnten niemals zusammenkommen. Es war ein Ritual, wie ein Tanz, dessen Schritte genau festgelegt waren. Das Feuer, das in ihm brannte, würde nie gelöscht werden – jedenfalls nicht von ihr. Genau deshalb war diese Liebe so rein, so keusch, so ehrenhaft. Alles andere war einfach nur fleischliche Lust, wie sie jeder Bauer, jeder Landstreicher, ja, jedes Tier erfahren konnte.
Ganz erfüllt vom Glück dieses Nachmittags ritt Ezzo heim. Der Falkner ließ ihn Brun tragen, der ruhig und zufrieden auf seiner Faust hockte, bis sie die Burg wieder erreicht hatten. Im innersten Hof stieg alles ab, eine Handvoll Rossknechte eilte herbei, um die Pferde in Empfang zu nehmen und zum Marstall zurückzuführen. Ezzo lockerte gerade den Sattelgurt, als eine von Barbaras Zofen hinter ihn trat.
»Herr Ezzo, als besondere Gunst Ihrer Majestät seid Ihr heute Abend zur Unterhaltung geladen. Bei Sonnenuntergang im Frauenzimmer.« Die Kleine wurde ein bisschen rot.
Sein Herz schlug heftig, aber er beherrschte sich und dankte dem Mädchen mit artigen Worten. Dann ging er auf sein Zimmer im Anbau des Westflügels, legte sich aufs Bett und zählte die Stunden.
Beim Abendessen in der Hofstube war er so aufgeregt, dass er kaum etwas essen konnte. Er hatte gebadet, sich sorgfältig rasiert, seine Stiefel geputzt und sein bestes Hofgewand angezogen. Ja, er hatte sich sogar von einem Freund ein paar saubere, geschlitzte Ärmel ausgeliehen und ans Wams angenestelt, weil seine schon ein wenig fleckig aussahen. Nun durchquerte er den Ostflügel des Palas, an dessen Ende der Wohnbereich der Königin lag.
Vor dem spitzbogigen Eingang zum Frauenzimmer standen zwei Türhüter, die ihn sofort durchließen, nachdem er seinen Namen genannt hatte. Drinnen brannten schon die Wandfackeln und Kerzen. Der erste Raum war leer; Ezzo hängte seinen Mantel an einen Wandhaken und folgte dann dem Lärm und Gelächter, bis er das große Eckzimmer erreichte, in dem Barbara ihre Gäste empfing. Erst einmal blieb er an der Tür stehen und sah sich um. An den Fenstern hingen schwere damastene Vorhänge, die in dunklen Grüntönen schimmerten, der Boden war nicht, wie üblich, mit Stroh oder Binsen bestreut, sondern mit dicken Teppichen aus dem Orient belegt, die wahllos übereinander lagen. An den Wänden entlang standen etliche Truhen, die als Tische dienten, auf ihnen waren große Krüge mit Wein und Wasser und silberne Platten mit Süßigkeiten schön hingerichtet. In einer Ecke lehnten ein paar Instrumente. Hunde schnüffelten herum, natürlich nicht
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