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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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ich Onkel Jehuda bei seinen Krankenbesuchen. Wir waren in der ganzen Stadt unterwegs, zumeist bei wohlhabenden Leuten, die sich einen studierten Medicus leisten konnten. Abends fiel ich völlig erschöpft und erschlagen von den Eindrücken des Tages ins Bett. Und bevor mir die Augen zufielen, keimte in mir, kaum dass ich es zu denken wagte, ein unverschämter, vermessener Wunsch: Ich wollte so sein wie mein Onkel. Ich wollte Ärztin werden!

Irland, Midlands, Sommer 1412
    Entlang des Lough Ree führte von Roscommon bis Athlone eine schmale Landstraße, eigentlich eher ein von vielen Räderkarren gut ausgefahrener Weg. Meistens schmiegte er sich nah ans flache Ufer, nur manchmal erklomm er einen der niedrigen Hügel, von wo aus man den See dann ein Stück weit überblicken konnte. Der Lough war eine von mehreren Verbreiterungen des Shannon, in denen sich der Fluss eine Strecke lang unregelmäßig auffledderte, als ob er plötzlich seinen Weg vergessen hätte, bis er sich schließlich wieder besann und in sein Bett zurückfand.
    Ciaran und sein Begleiter wanderten auf der vom letzten Regen noch aufgeweichten Straße in Richtung Süden. Der Wind blies stark und gleichmäßig, so dass den Wolken gar keine Zeit blieb, ihre Regenlast über dem weiten Land abzuladen. Ciarans Kutte flatterte so sehr, dass sie sich manchmal beim Laufen um seine Beine wickelte; dann beneidete er seinen Freund Connla, der kein Habit trug, sondern die bequemen knöchellangen Hosen der Landbevölkerung. Connla war seit ein paar Monaten im Kloster, ein gutmütiger Rotschopf, wohlbeleibter und wohlhabender Schafzüchter aus Dingle, der wegen eines Gelübdes zwei Jahre in Clonmacnoise als Laie mit Beten und Arbeiten verbringen wollte. Ciaran hatte schnell Freundschaft mit dem älteren Mann geschlossen, der so viele Geschichten wusste und ihm bereitwillig die Lieder der Halbinsel im Südwesten Irlands beibrachte. Connla hatte den jungen Mönch auch gerne zu den Dominikanerbrüdern nach Roscommon begleitet, wo sie Geschenke und ein Schreiben des Abts überbracht hatten. Nun waren sie wieder auf dem Heimweg.
    Der Lough war immer noch aufgewühlt, denn vor zwei Tagen war ein Sturm über die Insel gefegt. Hohe Wellen ließen die kleinen Currahgs tanzen, auf denen die Fischer unterwegs waren, um ihre Netze auszulegen. »Sieh nur«, sagte Ciaran, blieb stehen und beschattete seine Augen. »Heute ist es so klar, dass man die Inseln erkennen kann. Da: Inisclearaun und Inisbofin.« Er wies mit der ausgestreckten Hand übers Wasser, wo in der Ferne zwei graugrüne Erhebungen zu sehen waren. »Es heißt, dass das alte Volk, die Tuatha de Danaan, dort in uralter Zeit eine Begräbnisstätte hatte. Die Leute sagen, die Inseln bringen Unglück, deshalb lebt dort auch niemand.«
    Ciaran grinste und erzählte Connla die Legende der Kriegerkönigin Maeve, die auf Inisclearaun einst durch ein Geschoss aus Käse einen ungewöhnlichen Tod gefunden hatte. Der Mann aus Dingle runzelte die Stirn. »Kann keiner von meinen Schafen gewesen sein, der wird nicht so hart.« Lachend schlug er Ciaran mit seiner schwieligen Pranke auf die Schulter, und sie gingen weiter. Noch vor dem Abend hatten sie Athlone erreicht, wo sie im Haus des Priesters übernachteten.

    Der nächste Tag brachte Sonnenschein und Wärme, und so brachen die beiden früh auf. Das Kloster lag gut drei Wegstunden von Athlone entfernt, also würden sie schon mittags zu Hause sein.
    Nach der Hälfte der Strecke tauchte an einer Wegbiegung ein kleiner Dolmen auf. Mitten in einer Wiese mit hohem Gras stand das Steingrab, so uralt, dass niemand seinen Zweck mehr kannte und die Einheimischen es für einen Druidenaltar hielten. Es war halb eingestürzt; der schwere Abdeckstein ruhte mit einer Seite im Erdreich, drei kleinere Steine stützten ihn, sich unter seinem Gewicht schräg neigend. Ein paar grauzottelige Schafe mit schwarzen Köpfen und gekrümmten Hörnern grasten friedlich neben dem massigen Gebilde. Die beiden Wanderer hörten das regelmäßige laute Rupfen, wenn ihre Vorderzähne ein Büschel saftiges Grünzeug ausrissen.
    »Ha!«, rief Connla, »das ist ein Platz zum Rasten, was, mein Freund?«
    Ciaran musste sich ein Grinsen verkneifen. »Dir ist doch jeder Platz zum Ausruhen recht, Faulpelz. Wärst du mit Moses durchs Rote Meer marschiert, hätte es das Volk Juda niemals vor der Rückkehr der Wasser ans andere Ufer geschafft!«
    »Wenn du meinen Bauch hättest und meine kurzen Beine, kämst du auch nicht

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