Die Silberne Festung
fragte Oberst Walker. »Wen sollen wir ausspähen?«
Saint-Michael entfaltete eine Weltkarte und befestigte sie mit Klettstreifen an einer Konsole. Auf der Karte war eine horizontale Wellenlinie eingezeichnet, deren höchster Punkt über dem Iran lag, während der tiefste sich im Pazifik zwischen Chile und Neuseeland befand.
»Ich beabsichtige, die Armstrong-Raumstation in eine elliptische Bahn mit einem Achsenverhältnis von hundertfünfzig zu elfhundert Kilometern zu bringen. Die Umlaufzeit beträgt drei Stunden – davon zwei Stunden zehn Minuten über Afrika und Vorderasien. Eineinhalb Stunden lang können wir den Iran direkt beobachten. Und ich möchte, daß diese Bahn bei jeder Umkreisung exakt eingehalten wird.«
Leises Murmeln, während die Besatzung die Weltkarte studierte. Dann ergriff wieder Oberst Marks das Wort.
»Diese Bahn soll exakt eingehalten werden? So daß wir bei jeder Umkreisung genau dieselben Punkte passieren?«
»Richtig.«
»Das klingst ernst, General«, stellte Walker fest.
Saint-Michael nickte. »Ich habe Hinweise auf eine überraschend starke Truppenkonzentration im südlichen Militärbezirk der Sowjetunion erhalten. Im Pentagon hat sie bisher noch keine allzu große Besorgnis ausgelöst, weil sie sich mit einem angekündigten sowjetischen Großmanöver und der alljährlichen Herbstoffensive in Afghanistan halbwegs erklären läßt. Trotzdem befürchten einige Fachleute, daß dort ein weit gefährlicheres Unternehmen vorbereitet wird – zum Beispiel die Besetzung des Irans.«
Wieder leises Murmeln. Saint-Michael verschaffte sich Gehör und fuhr fort: »Die Vorstellung, die Russen könnten im Iran einmarschieren, klingt vielleicht absurd, aber ich finde sie durchaus nicht abwegig. Der Iran befindet sich in einem Übergangsstadium. Durch seine Bevölkerung geht ein tiefer Riß zwischen den islamischen Fundamentalisten Khomeinis und den Gemäßigten, die wieder Beziehungen zum Westen aufnehmen wollen. Der lange Krieg mit dem Irak hat das Land entscheidend geschwächt. Im Augenblick würde der Iran den Sowjets wie eine reife Frucht in den Schoß fallen.«
»Was haben wir also zu tun, General?« fragte Kevin Baker.
»Wir haben keinen Auftrag aus Washington. Diese Sache ist meine Idee.
Wie Sie alle wissen, bin ich für den Betrieb der Station weitgehend selbst verantwortlich. Ich nutze meine Befehlsgewalt, um sparsam zu wirtschaften, Forschungsarbeiten zu fördern und Silver Tower zu einem wirkungsvollen Überwachungsinstrument zu machen. Das versuche ich zumindest.
Aber ich habe das Gefühl, daß das große Potential dieser Station bisher weitgehend brachgelegen hat. Wir haben uns auf Abwehrsysteme konzentriert, anstatt das Frühwarn- und Überwachungspotential für das Space Command zu nutzen. Jetzt haben wir die Chance, unsere Fähigkeiten zu beweisen, und ich brauche dazu Ihre Vorschläge und Kommentare.«
»Diese Bahn verschlingt enorme Treibstoffmengen«, wandte Marks ein.
Er hatte inzwischen im Kopf gerechnet. »Sie bedeutet, daß die Station pro Stunde über vierzehnhundert Kilometer seitlich versetzt werden müßte.«
»Und?« Saint-Michael mußte ein Lächeln unterdrücken. Er wußte, daß er soeben Marks’ geistige Mikroprozessoren aktiviert hatte.
»Sir, wir verbrauchen pro Woche hundertfünfzig Kilogramm flüssigen Sauerstoff und Wasserstoff für die Lagekontrolle der Station – was rund fünfhundert Kilometer Ortsveränderung entspricht. Sie planen eine seitliche Verschiebung um über vierzehnhundert Kilometer pro Stunde. Das bedeutet einen zusätzlichen Treibstoffverbrauch von vierhundertfünfzig Kilogramm pro Stunde. Das sind – Augenblick – zehn-komma-acht Tonnen Treibstoff pro Tag, also ein Drittel der Nutzlast einer Raumfähre, ein Viertel der Nutzlast einer Agena drei…«
»Wird mein Vorschlag genehmigt«, antwortete Saint-Michael, »werden wir zweimal wöchentlich mit Treibstoff versorgt. Jedes unbemannte Agena-Frachtmodul bringt uns dann Treibstoff für vier Tage.«
»Weshalb keine elliptische Bahn, General?« fragte Walker. »Auf einer elliptischen Bahn können wir das fragliche Gebiet alle vierundzwanzig Stunden nur einmal überwachen. Auf einer Äquatorialbahn hätten wir diese Chance mehrmals pro Tag.«
»Ich habe die Möglichkeiten am Computer durchgerechnet«, sagte Saint-Michael. »Auf einer Äquatorialbahn mit zweihundertfünfzig Kilometer Höhe sind wir über dreitausend Kilometer vom Zielgebiet entfernt. Das entspricht etwa der größten
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