Die Silberne Festung
Reichweite unseres Radars. Ich glaube, daß eine elliptische Bahn sich trotz des höheren Treibstoffverbrauchs vor allem dann lohnt, wenn sie der Erdrotation angepaßt wird – und eine Äquatorialbahn läßt sich nicht anpassen.«
Saint-Michael trat wieder an die Karte und zeigte auf das durch ein Rechteck gekennzeichnete Aufklärungsgebiet. »Diese Sache wird kein Honiglecken«, stellte er nüchtern fest. »Wir fliegen fast genau über den sowjetischen Hauptstützpunkt zur Satellitenbekämpfung in Tjuratam und das Raketenversuchszentrum Sari Schagan am Baikaschsee, wo die Sowjets anscheinend einen funktionsfähigen Laser als Satelliten- und ICBM-Killer stehen haben…«
»Nicht ›anscheinend‹, General«, warf Ann ein. »Ein Laser, der stark genug ist, um Satelliten zu blenden, ist dort schon seit fünf Jahren in Betrieb.
In Geheimdienstmeldungen ist diese Tatsache unterschätzt worden. In Sari Schagan haben die Russen ein Lasersystem zur Satellitenbekämpfung stehen, das vielleicht sogar unsere Station gefährden könnte.«
»Diese Gefahr sehe ich nicht, Dr. Page«, widersprach Jefferson. »Unsere Station ist schwer gepanzert. Schließlich heißt sie deshalb auch Silver Tower. Die Panzerung aus Titansilber ist stärker als…«
»Jake, dieser inoffizielle Name ist leicht überholt«, unterbrach Walker ihn. »Gepanzert sind nur die ursprünglichen Module – nicht der später angebaute Mittelkiel mit Radarantennen, Treibstofftanks und Sonnenkollektoren.«
»Genau!« bestätigte Ann. »Der Laser aus Sari Schagan würde durch sie hindurchgehen wie ein heißes Messer durch Butter.«
Danach herrschte kurzes Schweigen, bis Saint-Michael sich an Oberst Marks wandte. »Wayne, könnte die Elektrolyse-Anlage zusätzliche fünfundzwanzig Tonnen Wasser pro Tag bewältigen?«
»Mühelos«, versicherte Marks ihm. »Sie ist für eine doppelt so große Station wie Silver Tower ausgelegt.«
Die Elektrolyse-Anlage, deren Energiebedarf die riesigen Sonnenkollektoren deckten, zerlegte den Treibstoff der Raumstation – einfaches Meerwasser – in Sauerstoff- und Wasserstoffgas. Durch ein ständig von der Sonne abgekehrtes Kühlsystem wurden diese Gase bei -183oC beziehungsweise -253oC verflüssigt und in die Vorratstanks gepumpt. Die Ladung einer unbemannten Agena III, die als Tanker 40 Tonnen Meerwasser heraufbrachte, lieferte Treibstoff für Satellitentriebwerke, andockende Raumfähren und hypersonische Flugzeuge und stellte den Betrieb der gesamten Station für einen Monat sicher.
»General, wie wirkt unsere Bahnänderung sich auf weitere Skybolt-Tests aus?« wollte Ann wissen. »Die nächste Erprobung könnte in drei Tagen stattfinden. Falls alles klappt, sind wir in einer Woche soweit, daß wir’s mit der nächsten Agena versuchen können.«
Saint-Michael schüttelte den Kopf. »Bedaure, Ann, aber ich muß dem Space Command empfehlen, die Skybolt-Tests zunächst auszusetzen. Eine Erprobung in unmittelbarer Nähe der sowjetischen ICBM-Stellungen würde garantiert lautstarke Proteste auslösen.«
»General«, sagte sie ruhig, fast zu ruhig, »nach dem Mißerfolg des ersten Tests mit Teillast haben wir alle sehr angestrengt gearbeitet, um dieses Projekt schneller als geplant voranzubringen. Meiner Meinung nach, Sir, sollte ein erfolgreicher Skybolt-Test wichtiger sein als ein unverlangtes Erkundungsunternehmen.«
»Ich nehme Ihren Einwand zur Kenntnis, und jetzt…«
»Ich verlasse mich also darauf, General, daß meine Argumente gleichwertig berücksichtigt werden, wenn Sie dem Space Command Ihr Unternehmen vorschlagen.«
»Als Kommandant dieser Station bin ich verpflichtet, Empfehlungen und Ratschläge der Besatzungsmitglieder zu berücksichtigen. Aber ich bin nicht verpflichtet, Zusicherungen zu machen.« Er wandte sich an Oberst Marks. »Wayne, ich möchte, daß Sie meine Bahndaten und die benötigten Treibstoffmengen nachrechnen. Oberst Walker, Sie setzen sich mit Wayne zusammen und arbeiten einen vorläufigen Nachschubplan mit Agenas und Raumfähren aus.« Der General holte tief Luft. »Dr. Page, Sie schildern mir bitte die bei Ihrem Projekt auftretenden Verzögerungen und mögliche daraus entstehende Probleme.«
Saint-Michaels Blick glitt über die Gesichter seiner Besatzung. »Die Unterlagen müssen mir bis morgen früh vorliegen, damit sie verschlüsselt und übermittelt werden können. Ich beabsichtige, die Bahnänderung heute in drei Tagen vorzunehmen.« Er starrte Ann an, die jedoch keine Miene
Weitere Kostenlose Bücher