Die Silberne Festung
äußern, aber in meiner Dienststelle verlange ich das sogar! Die alten Dummköpfe wie ich werden dieses Land eines Tages ins Verderben stürzen.«
»Nein, Genosse General, Sie…«
Goworow hob abwehrend eine Hand. »Sie haben recht wie üblich. Wir müssen davon ausgehen, daß die Amerikaner unseren Invasionsplan kennen oder erraten haben und ihre Raumstation einsetzen, um die Golfregion zusätzlich überwachen zu lassen. Falls unsere Erkenntnisse zutreffen, ist der Radar der Station imstande, unsere Bewegungen an mehreren Fronten gleichzeitig zu überwachen und den Verteidigern entsprechende Informationen zu liefern. Ihr Kommentar dazu, Oberstleutnant? «
Die Antwort kam erstaunlich rasch. »Wir müssen die amerikanische Raumstation unbedingt zerstören, Genosse General!«
»Aber die Kollegija hat es abgelehnt, den von mir vorgeschlagenen Angriff zu genehmigen«, stellte Goworow fest. »Wir befinden uns nicht im Krieg mit den Vereinigten Staaten. Im Zuge des Unternehmens Feder wollen wir den Iran besetzen, die Golfregion unter unsere Kontrolle bringen und die Heranführung amerikanischer Verstärkungen unterbinden.
Wir versuchen nicht, einen neuen Krieg anzufangen…«
»Dann glaube ich, daß Feder zum Scheitern verurteilt ist, Genosse General. Dürfen wir, können Sie das zulassen?«
Goworow fuhr innerlich zusammen, nickte zu seinem Dienstzimmer hinüber. Der Oberstleutnant nahm seine Hör-Sprech-Garnitur ab, legte sie aufs Kontrollpult und folgte ihm. Goworow machte ihm ein Zeichen, die Tür zu schließen, während er hinter seinem Schreibtisch Platz nahm.
»Sie scheinen meine Aufforderung, offen zu sprechen, etwas zu wörtlich genommen zu haben«, sagte Goworow. »Auch die Offiziere des Raumverteidigungskommandos werden regelmäßig vom KGB befragt, und Äußerungen wie ›Feder ist zum Scheitern verurteilt‹ sind genau das, was Zuträger sich merken und zu ihrem eigenen Vorteil weitergeben. Seien Sie in Zukunft bitte vorsichtiger, Gulajew. Sie sind ein verdammt guter Offizier; ich möchte Sie nicht an irgendeine mit nur drei Mann besetzte Funkstation an der Beringstraße abgeben müssen… womit Sie übrigens noch gut bedient wären.«
Das erinnerte Goworow wieder an seine eigenen höchst unvorsichtigen Äußerungen vor der Kollegija. Vielleicht stand es ihm gar nicht zu, Gulajew solche Vorhaltungen zu machen. Aber wer predigt besser als ein Sünder, der in der Vergangenheit für eben diese Sünden hatte büßen müssen?
Der Oberstleutnant wirkte geknickt.
»Sie haben natürlich recht«, bestätigte Goworow ihm. »Das Unternehmen Feder dürfte niemanden überraschen, falls der amerikanische Weltraumradar so gut funktioniert, wie ich vermute.« Er wartete, bis Gulajew glauben mußte, er sollte abtreten, und fragte dann: »Oberstleutnant Gulajew, wie beurteilen Sie die Wirksamkeit unseres Abwehrraketensystems SAS-10 Gorgo gegen die Armstrong-Raumstation?«
Gulajew überlegte kurz. »Es wäre wirkungslos, Genosse General« , stellte er dann fest. »Wir könnten die Station bestenfalls mit sechs Raketen angreifen, sie hat aber zehn Thor-Raketen, die sie dagegen einsetzen kann.«
»Aber die Trefferausbeute des Thor-Systems hat doch bei nur fünfzig Prozent gelegen«, sagte Goworow, um seinen Untergebenen auf die Probe zu stellen.
»Genosse General, wie Sie wissen, haben GRU und KGB aus dem Ergebnis des amerikanischen Tests unter Einsatzbedingungen die Trefferwahrscheinlichkeit bei ungünstigsten Verhältnissen errechnet. Festzuhalten bleibt, daß die Amerikaner mit sieben Thor-Raketen neunundfünfzig ICBM-Sprengköpfe vernichtet haben. Das entspricht einer Trefferquote von über fünfundachtzig Prozent…
Selbst wenn der Test nicht ganz unter Einsatzbedingungen stattgefunden haben sollte, hat die Raumstation erfolgreich sechs Trident-Raketen abgefangen, die schwieriger zu treffen sind als unsere Gorgo. Eine Thor-Rakete hat einen einzelnen Sprengkopf verfolgt und zerstört – ein viel kleineres Ziel als eine Gorgo. Dazu kommt, daß die Station in ihrer jetzigen höheren Bahn für die Gorgo zwar gerade noch erreichbar wäre, sie aber direkt ansteuern müßte, bevor ihr Treibstoff verbraucht ist. Damit wäre sie für eine Thor-Rakete praktisch ein stationäres Ziel.«
Goworow fand es widerwärtig, über die sich daraus ergebenden Konsequenzen nachzudenken… Alle Schwachpunkte, sämtliche Mängel der Hauptwaffe des Raumverteidigungskommandos, von denen Goworow seit Jahren wußte, hatte der junge
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