Die Silberne Festung
Partie Schach gespielt würde. Sie stellte sich vor, wie vernichtend eine sowjetische »Reaktion« ausfallen könnte, und spürte, daß ihr ein kalter Schauder über den Rücken lief. Eigentlich war sie froh, daß sie ihre Arbeit hatte, auf die sie sich konzentrieren konnte. Sie wäre bald ein nervöses Wrack gewesen, wenn sie im Kommandomodul hätte stehen und die Bildschirme beobachten müssen, die jederzeit eine potentielle Bedrohung zeigen konnten.
Kevin Baker legte ein eben ausgebautes Steckmodul weg und setzte sich in dem beengten Skybolt-Modul auf eine kleine Werkbank.
Ann sah zu ihm hinüber. »Ich habe mir eben überlegt, wie unwirklich vieles von dem hier ist. Wenn man überlegt, was auf. der Erde passieren könnte. Allein die Tatsache, daß wir hier im All sind…«
Baker nickte langsam. »Ich weiß, was du meinst. Ich denke an all die Jahre, die ich in Labors verbracht habe – ein bißchen anders als dieses hier, aber mit ähnlichen Geräten vollgestopft. Und weder meine Kollegen noch ich haben uns viel dabei gedacht. Und jetzt scheine ich mich plötzlich im Mittelpunkt weltbewegender Ereignisse zu befinden, aber das Gefühl ist nicht viel anders. Probleme analysieren, Lösungen finden, Hypothesen überprüfen…«
»Und wie lautet deine Lieblingshypothese? Wie können wir unseren Laser dazu bringen, wie geplant zu funktionieren?«
Kevin, dem das Wort unseren aufgefallen war, lächelte zufrieden. »Hör zu, ich habe mir überlegt, daß der Fehler in einem der Selbsttests stecken könnte. Einzeln funktionieren alle Komponenten einwandfrei – aber wir haben bisher keine Möglichkeit, ihr Zusammenwirken zu kontrollieren.
Ich schlage vor, daß ich durch ein Glasfaserkabel eine Verbindung zwischen Skybolt und meinem Labor herstelle, damit mein Computer das System prüfen und die Überprüfung alle paar Minuten wiederholen kann.«
»Eine großartige Idee, Kevin! Wie lange brauchst du voraussichtlich dafür?«
»Ein paar Stunden, bis das Kabel verlegt und angeschlossen ist und vier, fünf Stunden für das Prüfprogramm.«
Ann nickte und sah zu der Selbsttestkonsole auf. »Glaubst du wirklich, daß das Problem darin liegt?«
»Außer dieser einen Konsole haben wir sämtliche Komponenten geprüft«, antwortete Kevin. »Aber deine Selbsttests sagen nichts darüber aus, wo das Problem liegen könnte. Wir haben es bisher nicht einmal einkreisen können. Daraus schließe ich, daß es in der Selbsttestkonsole liegen muß.«
Zum ersten Mal seit Tagen gestattete Ann sich die Hoffnung, das Problem könnte tatsächlich gelöst werden – immer unter der Voraussetzung, daß keine neuen Schwierigkeiten auftraten und ihnen einen Strich durch die Rechnung machten…
Moskau
»Sind Sie übergeschnappt, Goworow?« fragte Marschall Chromejew, der Erste Stellvertreter des Verteidigungsministers, mit halblauter, scharfer Stimme. Goworow und der stellvertretende Verteidigungsminister Rhomerdunow, Oberbefehlshaber der sowjetischen Luft- und Raumverteidigungskräfte, standen in strammer Haltung in Chromejews geräumigem Dienstzimmer. Der General starrte angestrengt geradeaus, aber Rhomerdunow beobachtete den nervös auf und ab marschierenden Chromejew gelassen.
Vor 48 Jahren hatten die beiden Marschälle als junge Offiziere gegen Ende des Zweiten Weltkriegs einmal 18 Tage lang miteinander in einem schlammigen Schützengraben vor Budapest gelegen. Seitdem konnte Chromejew wenig tun oder sagen, was Rhomerdunow wirklich Angst eingejagt hätte. Der Generalstabschef bot ihnen schließlich mit einer ungeduldigen Handbewegung zwei Besuchersessel an.
»Sergei Michailowitsch«, drängte Rhomerdunow, »bitte hör dir an, was General Goworow…«
»Das weiß ich doch, Alexei Iwanowitsch!« unterbrach Chromejew ihn.
»Dank seiner verflucht undisziplinierten Rede vor der Kollegija hat dein Kosmonaut sich im Kreml einen ziemlichen Namen gemacht. Jetzt will er schon wieder mit dem Verteidigungsminister über eine Verschiebung des Unternehmens Feder sprechen.«
Chromejew starrte Rhomerdunow und Goworow einige Sekunden lang prüfend an, bevor er sich an den General wandte.
»Verdammt noch mal, was soll dieser Unsinn, Goworow? Wollen Sie gegen Ihren Vorgesetzten aufbegehren? Wollen Sie auf sich aufmerksam machen? Verteidigungsminister Csilikow hat mit General Litschisew gesprochen. Der KGB weiß von keinem Superradar an Bord der amerikanischen Raumstation. Natürlich ist die Station mit hochempfindlichen Sensoren ausgerüstet –
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