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Die silberne Maske

Titel: Die silberne Maske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Schwartz , Stephanie Seidel
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war mehr ein Schnappen als eine Frage.
    Ruan warf einen flüchtigen Blick durch die Scheiben: Der Himmel über Dar Anuin verdunkelte sich bereits.
    »Wann immer du die wartenden Priester aufsuchst.«
    Die Konferenz, von der Maletorrex gesprochen hatte, war für den späten Nachmittag angesetzt worden, und normalerweise hätte Ruan ihn an den Termin erinnert. Unter den gegebenen Umständen indes, insbesondere der ausnehmend schlechten Laune des Priesters, fiel es ihm im Traum nicht ein, ungefragt den Mund aufzumachen.
    »Du hättest ruhig was sagen können!«, schnauzte Maletorrex.
    »Tut mir leid. Bitte verzeih.«
    »Vielleicht in hundert Jahren. Los, begleite mich!«
    Wieder drehte sich Maletorrex bemerkenswert schnell um und schritt davon in Richtung Tür. Ruan folgte ihm auf dem Fuß, einmal mehr erstaunt über die Veränderung seines Herrn. Seit dem Ausbruch der Revolte war kaum eine Woche vergangen, und in dieser kurzen Zeit hatte Maletorrex einiges an Gewicht verloren. Seine Rückseite war nach wie vor ... imposant, doch sie schwabbelte nicht mehr. Was auch damit zusammenhing, dass er sein weich fließendes Priestergewand gegen eine Uniform getauscht hatte.
    Er trug jetzt Schwarz wie die Faitachen: eine Hose, die nur aussah, als wäre sie extra weit geschnitten, tatsächlich aber keinen Millimeter Spielraum mehr besaß, eine eng anliegende Jacke und hohe Stiefel. Zu Letzteren hatte ihm der Schuster - ein unverbesserlicher Anhänger der Priesterschaft - gleich den passenden Sklaven mitgeliefert. Der Stiefellecker sollte dafür sorgen, dass ein immerwährender Glanz Maletorrex umgab. Wenigstens an den Füßen.
    Wind fauchte dem Priester entgegen, als er ins Freie trat, ein heißer, unwirklicher Luftzug, der mit den magischen Feuern von Dar Anuin einherging und unangenehm nach Veränderung roch.
    Maletorrex hob schützend einen Arm vor sein Gesicht und eilte den Holzsteg entlang, der sein Haus mit dem Tempelbezirk im Inneren der Kartause verband. Niemand außer den Priestern hatte dorthin Zutritt. Den wollte allerdings niemand, denn das Heiligtum mit seinen wuchtigen, düsteren Gebäuden war alles andere als einladend.
    Raben hockten auf den Zinnen, krächzten missmutig vor sich hin. Aus Wänden und Mauervorsprüngen ragte ein Heer verwitterter Gargylen und Wasserspeier. Sie tropften noch vom letzten Regen, und irgendwo heulte eine Äolsharfe ihr schauriges Lied.
    Maletorrex führte seinen Begleiter durch ein enges Straßengewirr. Die Tritte der beiden hallten auf dem leeren Pflaster, und unwirkliches Zwielicht hüllte sie ein wie alles am Kratergrund um diese Zeit.
    Zahlreiche Statuen flankierten den Weg, und nicht eine von ihnen zog ein freundliches Gesicht. Vielleicht lag es daran, dass sie nicht ganz so leblos waren, wie man es im Allgemeinen von Steinfiguren erwartete. Ihre Augen bewegten sich. Finstere Blicke folgten Maletorrex und Ruan, als sie auf den Tempel zuschritten.
    Vor dem Eingang wandte sich der Priester um.
    »Was immer gleich geschieht: Du sagst keinen Ton!«, schärfte er Ruan ein. »Beantworte keine Fragen, rühr dich nicht von der Stelle und ... fass bloß nichts an! Verstanden?«
    »Ich kann auch hier draußen warten«, schlug der Faitache vor. Er wirkte nervös.
    Maletorrex tippte ihm gegen die Schläfe. »Habe ich dich mitgenommen, damit du draußen wartest? Wohl kaum. Los, komm jetzt!«
    Mit diesen Worten drehte er sich dem Eingang zu, einem gewaltigen Portal aus schwarzem Holz. Die Beschläge daran waren von magischen Zeichen übersät.
    »Arvade maretro!«, befahl der Priester, und mit einer Leichtigkeit, die massives Schwarzeichenholz eigentlich gar nicht besaß, schwang das Portal auf.
    Ein Schwall warmer Luft kam ihnen entgegen. Er hatte die aufdringliche Süße längst verwelkter Blüten, vermischt mit herbem Öl und dem Geruch alter Männer. Ruan rümpfte die Nase, als er hinter Maletorrex eintrat.
    Der Schein brennender Lampen empfing ihn im Inneren. Ihre Flammen warfen undurchdringliche Schlagschatten über Boden und Wände, und es dauerte eine Weile, ehe sich Ruans Augen auf die Lichtverhältnisse eingestellt hatten.
    Gemütlich ist es hier nicht!, dachte Ruan, während er sich umsah.
    Der Tempel war düster, jedoch von durch und durch elfischer Struktur: verschlungen, asymmetrisch, übervoll mit allegorischen und symbolhaften Darstellungen. Seine Deckengewölbe ruhten auf Säulen, die wie versteinerte Bäume aussahen; an der linken Wand wuchsen marmorne Blattranken, als Halter

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