Die silberne Maske
hallte es durch die geknechtete Stadt. Klatschende Hände wogten über dem voll besetzten Ort des Himmlischen Friedens, und mit jedem Schlag ließen die Elfen ihre so lange unterdrückte Sehnsucht nach Freiheit mehr zu.
Freiheit ... Wann hatten sie sie das letzte Mal gespürt? Wann von der Unendlichkeit an Glück gekostet, die das kleine Wort umschloss? Barfuß laufen. Kinderlachen. Picknick am Fluss. Die Weite der Ebene draußen vor dem Vulkan, sonnendurchflutet, gestreckt bis zum Horizont. Wind auf der Haut und so viel Luft zum Atmen, dass es für ein ganzes unsterbliches Leben reichte. Keine Befehle mehr. Keine Restriktionen.
»Wir-wollen-raus!«
Faitachen rannten in Stellung. An den Zinnen der Kartause, rings um den Versammlungsplatz und die komplette Schraubenstraße hoch tauchten binnen kürzester Zeit schwarz gekleidete Krieger auf. Mit unbewegter Miene starrten sie auf ihre Freunde, Nachbarn und Familienmitglieder hinab, die nichts weiter wollten als das, was selbst einem Wurm gestattet war.
Frei sein.
»Feuer!«, schrie Maletorrex - und seine Männer gehorchten.
Viele Elfen hatten geglaubt, die heranzischenden Pfeile sollten Warnschüsse sein. Dass ihre Eisenspitzen den Boden treffen würden, nicht das unbewaffnete Volk. Doch sie irrten sich.
Erneut begann eine Massenflucht auf dem Versammlungsplatz, drängten die Elfen in Scharen auf viel zu enge Fluchtwege zu. Wer stolperte, stand nicht mehr auf. Verzweifelte Eltern hielten ihre Kinder hoch, damit sie im Gedränge nicht erstickten - und machten die Kleinen dadurch ungewollt zur Zielscheibe. Viele wurden getroffen. Viele starben.
Wieder blieben am Ort des Himmlischen Friedens Blut und Tränen zurück. Diesmal aber war der Angriff nicht die Verzweiflungstat eines gequälten, entmachteten Prinzen; diesmal war er kaltblütig ausgeführt und kam aus den eigenen Reihen.
Wut kochte hoch in der misshandelten Bevölkerung. Wut auf ihre Mitelfen, die sich den machtgeilen Priestern verschrieben hatten, Wut auf Maletorrex, der gestern salbungsvolle Worte gesprochen hatte und heute seine Krieger zum Töten aufrief.
Als die Faitachen ein weiteres Mal ihre Bogen anhoben, schlug der Zorn in Hass um. Es fehlte in diesem Augenblick nur ein kleiner Funke, um ein Fass zum Explodieren zu bringen, das die Bevölkerung in den schlimmsten aller Kriege stürzen sollte: den Bruderkrieg.
Und er kam.
Ein Pfeil, abgeschossen von einem unbekannten Mann. Er sollte einen anderen Unbekannten treffen, verfehlte jedoch sein Ziel und traf stattdessen die Außenwand der Kartause.
Eisen schlug auf Stein.
Funken sprühten.
Sie wären harmlos davongeflogen und verglüht, wie Funken es tun, die keine Nahrung finden. Dar Anuin jedoch - und das hatte Maletorrex nicht bedacht bei seinem grausamen Schießbefehl - war durchtränkt von Magie. Sie war überall; in jedem Stein, jedem Windhauch, jeder Blume am Wegesrand.
Mystische Kräfte erwachten zum Leben. Nahmen die Funken in ihre unsichtbaren Hände und trugen sie über die flüchtenden Elfen hinweg nach oben. An die Straße, die Fassaden. Den Kraterrand. Wo immer eins der winzigen Lichter auftraf, entzündete sich ein Feuer, das nichts zerstörte, aber auch nicht mehr erlosch.
Denn es bestand aus brennendem Hass.
»Verdammt - es muss doch möglich sein, diese Stadt wieder unter Kontrolle zu bringen!«, zeterte Maletorrex.
Er stapfte in seinem palastartigen Wohnraum auf und ab, Hände hinter dem Rücken, das Gesicht von anhaltendem Ärger gezeichnet. Sein Vertrauter begleitete ihn auf der endlosen Wanderung.
»Bleib von den Fenstern weg!«, warnte Ruan. Er wies mit einem Kopfnicken auf die Galerie hoher Bogenrahmen. Eine der Scheiben war zersplittert.
»Hmpf«, schnaubte der Priester missmutig. »Wurde das Subjekt bestraft, das den Stein geworfen hat?«
»Selbstverständlich. Es war ein Mann namens ...«
»Es interessiert mich nicht, wer das war! Sag mir einfach, was du mit ihm gemacht hast!«
»Erstochen und über den Kraterrand geworfen.« Ruan wechselte hastig die Seite, als sich Maletorrex umdrehte und zum wiederholten Mal an den Fenstern entlangging. Trotz der Wachposten draußen war es angeraten, ihn nicht ohne Deckung zu lassen. Nie zuvor hatte jemand gewagt, seine Hand gegen einen Priester zu erheben, und so war mit dem ersten Stein eine Grenze überschritten worden, von der keiner wusste, was sich dahinter verbarg. Weitere Anschläge? Überfälle?
Mord?
»Wann beginnt die Konferenz?«, wollte Maletorrex wissen. Es
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