Die Silberschmiedin (2. Teil)
seiner Werkstatt und seiner Familie scheint er überwunden zu haben. Gemütlich und fröhlich saß er in der Zunftstube und trank ein Bier nach dem anderen. Am Ende stimmte er sogar ein Lied an. Es heißt, er wäre ebenso fleißig, wie er fröhlich ist. Wir werden gut mit ihm auskommen.»
Eva war beruhigt. «Mattstedt weiß, was das Beste für uns ist. Ich bin sehr gespannt auf Meister Faber. Gleich morgen kann er die Werkstatt begutachten und mit der Arbeit beginnen.»
Sie stellte Heinrich noch einige Fragen, die im Grunde ohne Belang waren. Um keinen Preis wollte sie mit Susanne allein in der Küche bleiben. Als Heinrich sich schließlich zur Nacht verabschiedete, schützte auch sie Müdigkeit vor und eilte an Susanne vorbei in ihre Schlafkammer.
Am nächsten Abend beschloss sie, der Innung einen Besuch abzustatten. Zwar hatte Mattstedt bereits alle Angelegenheiten, die Meister Faber betrafen, geregelt, doch Eva wollte, dass die Werkstatt in der Hainstraße auch mit ihrem Gesicht verknüpft war. Schließlich war sie keine gewöhnliche Gesellin, sondern Mitinhaberin.
Mit einem «Gott zum Gruße, Goldschmiede» betrat sie die Zunftstube. Die Männer, es mochten fünf oder sechs an der Zahl sein, saßen um eine lange Tafel, hatten Bierkrüge vor sich stehen und sahen sie nicht besonders freundlich an.
Der Zunftmeister stand auf.
«Was wollt Ihr hier, Frau?», fragte er und verschränkte beide Arme vor der Brust.
Evas Lächeln gefror. «Nun, ich wollte mich Euch vorstellen. Die Siberschmiedin Eva Schieren bin ich und habe gemeinsam mit dem Ratsherrn Mattstedt die Werkstatt in der Hainstraße.»
Der Zunftmeister verzog spöttisch den Mund. «Silberschmiedin seid Ihr? Soviel ich weiß, habt ihr es gerade zur Gesellin gebracht. Und in der Tür geirrt habt Ihr Euch auch noch. Einem Weib mit so schlechten Augen sollte man das Punzeisen abnehmen.»
Eva neigte den Kopf ein wenig: «Ich verstehe nicht, Herr.»
«Nun, wenn es mit Eurem Gedächtnis ebenso schlecht bestellt ist wie mit Euren Augen, dann müssen wir Euch wohl Nachhilfe erteilen.»
Er sah der Reihe nach die anderen an, die bestätigend nickten.
«Die Zunftstube ist nur für Meister. Gesellen sind hier nicht erwünscht. Und Weiber erst recht nicht. Auch Fremde, die sich in unserer Stadt niederlassen und uns die Aufträge wegschnappen wollen, sind hier nicht gern gesehen.»
Eva verstand. Wortlos drehte sie sich um und verließ die Innungsräume.
Auf dem Rückweg dachte sie an die Bräuche in Florenz. Wie oft hatte sie dort mit den besten Goldschmieden an einem Tisch gesessen? Wie oft war sie nach ihrer Meinung gefragt worden? Nie hatte sie dort den Unterschied zwischen Mann und Frau gespürt.
Sie würde sich gut stellen müssen mit Meister Faber. Ohne ihn und Mattstedt war sie ein Nichts in dieser Stadt.
Nur zwei Tage später klangen die ersten leisen Hammerschläge aus der Werkstatt. Meister Faber verstand sein Handwerk hervorragend. Die Innung hatte als Meisterstück einen Pokal von ihm gefordert. Normalerweise musste jeder Anwärter für den Titel nach der Innungsordnung drei Stücke vorlegen: einen Kelch, einen Ring und ein Siegel mit Helm und Schild. Doch Faber hatte bereits in Erfurt einer Werkstatt vorgestanden, sodass die Innung sich mit nur einem Stück und einem gewaltigen Meisteressen begnügte. Eva würde den Schmaus bezahlen, ohne daran teilnehmen zu dürfen.
Doch im Moment kümmerte Eva das wenig. Sie stand in der Küche und betrachtete die neue Magd, die Susanne eingestellt hatte. Eine unauffällige Frau, die aus dem Heiratsalter lange heraus war. Sie musste an die 30 Jahre zählen und durfte wohl nicht mehr hoffen, einen Ehemann zu bekommen. Ihr Gesicht war von hässlichen roten Flecken übersät, die Zähne standen ein wenig vor, und die Augen quollen aus ihrem Gesicht wie bei einer Kaulquappe. Sie war mager, dürr beinahe, doch ihre Hände waren geschickt, ihre Arme muskulös. Sie konnte zupacken, das sah man ihr an.
«Wie bist du nach Leipzig gekommen?», fragte Eva die Magd, die Bärbe hieß.
«Ich komme aus Zschocher vor den Toren der Stadt.»
Sie sah zu Boden und knetete ihre Schürze zwischen den Fingern. Eva lächelte ihr aufmunternd zu.
«Hast du schon einmal in einem großen Haushalt in der Stadt gearbeitet?»
Die Magd schüttelte den Kopf. «Beim Priester habe ich gelebt. Er ist gestorben, und der neue Priester brauchte mich nicht. Er hatte schon eine Haushälterin, die sogar zwei Kinder mitbrachte.»
«Na
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