Die Silberschmiedin (2. Teil)
Ihr?»
Jakob Fuggers Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Sie schrak zusammen und stieß dabei den Leuchter um, sodass er vor Fugger umfiel.
Fugger nahm ihn zur Hand und betrachtete die Arbeit sehr genau.
«Ein seltenes Stück», sagte er und strich mit dem Finger über die Emailleeinlagen. «Hier ist ein wahrer Künstler am Werk gewesen. Woher habt Ihr den Leuchter?»
«Ein neuer Geselle in unserer Werkstatt hat ihn gemacht», antwortete Sibylla. «Kann schon sein, dass er ein begabter Silberschmied ist, doch mangelt es ihm dafür an anderen Stellen.»
Sie guckte dabei so säuerlich, dass Fugger auflachte. «Was hat er Euch getan?»
Sibylla zuckte mit den Achseln. «Es fehlt ihm an Ehrerbietung.»
Auch Mattstedt mischte sich nun ein: «Ich möchte ihn auch nicht länger in der Werkstatt haben. Er ist mir unheimlich.»
«Aber er ist ein guter Silberschmied. Der Beste, den es in ganz Leipzig derzeit gibt», warf Eva ein, doch niemand schenkte ihren Worten Beachtung.
Fugger drehte noch immer den Leuchter in der Hand. «Ich würde ihn gern kennen lernen, diesen seltsamen Gesellen. Vielleicht ist es auch möglich, noch andere Sachen von ihm zu sehen?»
Eva nickte eifrig. «Ich werde ihn holen.»
Noch ehe Sibylla oder Mattstedt widersprechen konnten, war sie bereits aus der Stube geeilt und kam kurz darauf mit David zurück.
Die anderen hatten sich unterdessen erhoben und betrachteten einen silbernen Kelch, der vor dem Spiegel auf dem Kaminsims stand.
«Hast du ihn gefertigt?», fragte Fugger, der Davids Eintreten im Spiegel verfolgt hatte, und wandte sich um.
David schüttelte den Kopf. «Nein. Er ist nicht schlecht, aber ich kann es besser.»
Fugger zog die Augenbrauen hoch und betrachtete ihn aufmerksam von oben bis unten.
«Hier!» David stellte ein mit Stoff ausgeschlagenes Kästchen auf die abgeräumte Tafel und holte daraus den Ring und den Pokal hervor, die er Eva auf dem Marktplatz gezeigt hatte.
Fugger nahm die Gegenstände in die Hand und betrachtete sie ausführlich. Auch Sibylla und Mattstedt bekundeten ihr Interesse.
«Hm», sagte Fugger schließlich und reichte die Silberwaren zurück. «Es sind in der Tat bemerkenswerte Arbeiten.» Er nickte anerkennend. «Wo willst du hin? Was willst du erschaffen, Geselle?»
David lächelte, als hätte er diese Frage erwartet. «Beweisen werde ich, dass der Mensch der ist, der er sein will.»
Sibylla zog die Stirn in Falten und setzte zu einer Widerrede an, doch Mattstedt legte ihr beschwichtigend eine Hand auf den Arm.
Fugger aber nickte. «Ich verstehe, was du meinst, Silberschmied.»
Eva war die Einzige, der auffiel, dass Fugger David plötzlich Silberschmied und nicht mehr Geselle nannte.
Fugger fuhr fort: «Möge unsere unsterbliche Seele vom heiligen Ehrgeiz ergriffen werden, nichts Mittelmäßiges anzustreben, sondern das Höchste zu ersehnen und mit aller Kraft anzustreben, dies zu erreichen.»
David lächelte. «Ich sehe, auch Ihr kennt Pico della Mirandola.»
«O ja, ich denke, ich kenne ihn nicht nur, sondern habe ihn auch verstanden.»
Fugger lachte. Sibylla und Mattstedt hingegen verfolgten mit wachsendem Unwillen den Wortwechsel.
David sah es. Er trat einen Schritt vor und sah Eva fest in die Augen. «Ich werde beweisen, dass ich mich selbst an den Platz zu stellen vermag, der mir gefällt.»
«Aber nicht in diesem Hause!»
Sibyllas Worte klangen streng. Sie musterte den Gesellen von oben bis unten, betrachtete jeden Fleck auf seiner Arbeitskleidung mit großer Strenge. Schon öffnete sie den Mund für eine weitere Zurechtweisung, da trat Mattstedt an sie heran, und Eva konnte diesmal deutlich hören, was er sagte: «Lasst uns später reden.»
«Du kannst gehen, Geselle, wir brauchen dich hier nicht mehr», bestimmte Sibylla und wedelte mit der Hand, als wolle sie eine Fliege verscheuchen.
Eva sah, dass sich das Gesicht Davids verfinsterte. Seine Lippen waren fest zusammengepresst, als wolle er seine Worte daran hindern, voreilig aus dem Mund zu springen. Er verneigte sich kurz, nickte Fugger noch einmal grüßend zu und verließ die Tafelstube ohne weitere Worte.
Wenig später verkündete Sibylla mit übertriebener Munterkeit die Verlobung von Andreas Mattstedt und ihrer Tochter. «Noch ehe dieses Jahr zu Ende geht, werden Eva und Andreas heiraten.»
Als die Gäste endlich gegangen waren, atmete Eva auf. Sie eilte in ihr Zimmer und stellte sich vor den Spiegel. Wer war sie? Wer wollte sie sein? Davids Worte gingen ihr
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