Die Silberschmiedin (2. Teil)
selbst. Dann zupfte sie noch ein wenig an den bodenlangen Falten des Rockes herum und sagte schließlich: «Du siehst sehr gut aus. In diesem Aufzug passt du bestens zu Andreas Mattstedt.»
Sibylla selbst war ebenfalls nach der neuesten italienischen Mode gekleidet. Doch sie trug ein Kleid aus schwarzem Samt, einer Farbe, die Witwen vorbehalten war.
«Bist du aufgeregt?», fragte Sibylla ihre Tochter. Eva schüttelte den Kopf. «Warum sollte ich?»
«Nun, dein Verlobter wird heute Jakob Fugger vorgestellt. Für eure Zukunft hängt viel davon ab, welchen Eindruck er von euch gewinnt. Auch als Paar. Ihr habt eure Verlobung zwar bisher noch nicht offiziell gemacht, doch Fugger soll es natürlich erfahren.»
Eva strich sich über ihr Haar. Dann legte sie die rechte Hand in den Bogen zwischen Hals und linker Schulter und legte den Kopf schräg.
«Von mir aus muss es niemand wissen», sagte sie. «Wichtig ist doch, dass wir wissen, was wir wollen.»
Die Mutter runzelte die Stirn und sah Eva fragend an: «Weißt du denn, was du willst?»
Ihr Ton war streng.
«Ja, Mutter», erwiderte Eva. «Ich weiß schon, was das Beste für die Familie und die Werkstatt ist.»
«Na, dann ist es ja gut.» Die Mutter klang noch etwas misstrauisch, doch der Türklopfer, der energisch gegen das Holzblatt geschlagen wurde und die Ankunft der Gäste verkündete, lenkte sie ab.
Wenig später begleitete Sibylla den reichen und berühmten Kaufmann Jakob Fugger in die Tafelstube.
Fugger sah sich aufmerksam um und lobte die Einrichtung, später das Essen und die köstlichen Getränke. Als die Tafel aufgehoben und das Geschirr abgetragen war, kam das Gespräch rasch auf die Silbervorkommen im Erzgebirge.
«Nun», sagte Fugger. «Man erzählt sich, seit dem größten Silberfund in Schneeberg anno 1477 sei man nie wieder auf eine ähnliche Menge an Silber gestoßen. Reich ist jetzt, wer damals in einen Anteil an der Grube, einen Kux, investiert hat. In den letzten Jahren ist der Ertrag der Grube St. Georg jedoch zurückgegangen, der Wert der Kuxe gefallen. Was meint Ihr, Mattstedt? Sollte man sein Geld weiter nach Schneeberg tragen? Wie schätzt Ihr die Lage dort ein?»
«Meiner Meinung nach wird es nicht mehr lange dauern, bis St. Georg eine Zuschusszeche wird und die Anteilseigentümer zahlen müssen. Darum rate ich im Augenblick davon ab, in Schneeberg große Summen zu investieren. Ein Grubenanteil zu St. Georg, der 1478 noch 2000 Gulden gekostet hatte, war 1488 nur noch 181 Gulden wert. Und in diesem Jahr schon wird der Wert unter 100 Gulden gehen.»
«Hmm.» Fugger strich sich über das Kinn und betrachtete Mattstedt nachdenklich.
«Was ist mit den anderen Zechen? Ich hörte, im Obergebirge fänden bereits erste Abstiche statt», warf Sibylla ein. «Oder ist es nicht besser, Anteile an einer Saigerhütte zu erwerben? Dort werden die Metalle voneinander getrennt, das wird man immer brauchen, egal aus welcher Grube das Silber stammt.»
Mattstedt widersprach Sibylla vorsichtig: «Da habt Ihr Recht, doch den größten Gewinn macht man mit Kuxen. Ich selbst werde in Annaberg im Obergebirge einige Anteile kaufen. Es gibt dort einen alten Bergmann, der Silber regelrecht riechen kann. Die Leute halten ihn für einen Verrückten, doch er hat bisher jeden großen Fund vorausgesagt.»
«In Annaberg? Soso.» Fugger war auf einmal ganz Ohr.
«Ich auch», rief Sibylla. «Ich werde auch in Annaberg Kuxe kaufen. Oder besser noch, Mattstedt, Ihr tätigt die Käufe für mich. Im Augenblick ist der Preis für einen Kux sehr niedrig. Gibt es Funde, so machen wir einen riesigen Gewinn. Gibt es keine, nun, so haben wir nicht viel verloren.»
«Ein kluger Gedanke, Sibylla», lobte Fugger. «Auch ich werde Mattstedt beauftragen, dort für mich tätig zu werden. Die Saigerhütten aber laufen uns nicht davon.»
«Die werden mit Sicherheit immer wichtiger werden», warf Adam ein. «Sogar ich benötige Silber, um meine Experimente zu machen. Und Zink, das auch im Erzgebirge gefunden wurde. Zink hilft, Krankheiten zu heilen. Die Bergleute und Knappen, die mit diesem Metall hantieren, haben kaum entzündliche Wunden.»
Eva hatte die ganze Zeit über dabeigesessen und kein Wort gesagt. In der Gegenwart von Jakob Fugger, Andreas Mattstedt und ihrer Mutter glaubte sie nicht, etwas zum Gespräch beitragen zu können.
Also ließ sie ihre Gedanken schweifen, spielte dabei an Davids Leuchter herum, der direkt vor ihrem Platz stand.
«Nun, Eva, träumt
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