Die Silberschmiedin (2. Teil)
zog und sie an seinen Körper presste, erschrak sie nicht einmal. Sein Kuss war fordernd. Nichts Zärtliches war daran. Er legte seine Lippen so fest auf ihre, dass sie kaum atmen konnte.
Sie versuchte dem Griff seiner starken Hände zu entkommen, doch er hielt sie fest. Schließlich gab er sie frei. Sie riss sich los und sah ihn mit funkelnden Augen an. Dann drehte sie sich abrupt um und rannte in ihre Kammer.
Es dauerte eine kleine Weile, bis sie wieder zu Atem kam. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
Im Spiegel sah sie ihr Gesicht. Sie kam sich verändert vor. Doch ihre Augen waren klar und voller Glanz. Wie gern hätte sie darin das Wissen um etwas gesehen. Eine Erkenntnis, die sie sich von den Augen ablesen konnte, bevor ihr Verstand sie begriff.
«Warum, Eva? Sag mir einen einzigen Grund, warum du unsere Hochzeit verschieben willst», bat Andreas Mattstedt, als er mit Eva am nächsten Sonntag im nahen Rosenthal vor den Toren der Stadt spazieren ging.
«Ich fühle mich zu jung zum Heiraten. Ich kann mir nicht vorstellen, das Haus zu hüten und Kinder großzuziehen, wie es die Ute Lechnerin tut», wiederholte Eva störrisch die Worte, die sie ihm bereits gesagt hatte.
Mattstedt schüttelte verständnislos den Kopf.
Er verstand einfach nicht, was in Eva vorging. Er hielt an und sah ihr in die Augen, als könne er so ihre Gedanken lesen, doch es gelang ihm nicht.
«Ich verstehe dich nicht, Eva. Es war doch alles geregelt. Oder hat dir der neue Geselle einen Floh ins Ohr gesetzt?»
Mattstedt fasste nach ihrer Hand. Eva antwortete nicht.
«Was ist los mit dir, Eva? Du kommst mir so verändert vor.»
«Vielleicht werde ich ja erwachsen?», fragte sie und versuchte gar nicht erst, das Schnippische an ihren Worten zu verbergen.
Mattstedt seufzte. Dann fragte er: «Was machen die Entwürfe, Eva? Wie weit ist er damit? Die Dominikaner drängeln. Gestern erst war der Abt bei mir zu Gast und berichtete, dass aus der Werkstatt nichts Neues zu hören sei.»
«Gut Ding will Weile haben», erwiderte Eva mit unbewegtem Gesicht. «Kreuz und Monstranz sollen etwas ganz Besonderes werden. Nun, das Besondere braucht seine Zeit.»
Mattstedt nickte. Er hatte begriffen, dass Eva im Augenblick für seine Worte taub war. Und er ahnte auch den Grund dafür. Dass Eva diesem Gesellen Rechte einräumte, wie sie nicht einmal Meister Faber zustanden, hatte sich bereits bis zu ihm herumgesprochen.
Für den Rest des Spazierganges behielt Mattstedt seine Gedanken für sich. Er brachte Eva nach Hause und ging von der Hainstraße auf direktem Weg zum Haus der Goldschmiedeinnung im Goldhahngässchen, das zwischen der Reichsstraße und der Nikolaistraße lag.
Er hatte Glück, der Zunftmeister saß an einem langen Tisch und trank in aller Gemütsruhe sein Sonntagsbier.
«Oh, der Ratsherr Mattstedt gibt uns die Ehre», sagte er leutselig und rief dem Schankmädchen zu, dass es einen weiteren Bierkrug bringen solle. «Setzt Euch, Ratsherr, und erzählt, was Euch hierher führt. Habt Ihr Ärger mit Eurer kleinen Gesellin? Ich habe Euch doch gesagt, dass es Unrecht ist, wenn eine Frau das Wort in der Werkstatt hat. Und eine Fremde noch dazu. Also, Ratsherr, was führt Euch her?»
«Nichts Besonderes, Zunftmeister. Zeit ist es, ab und an mal nach dem Rechten zu sehen. Es gab doch keinen Ärger bisher, oder?»
Der Innungsmeister schüttelte den Kopf. «Eurer Werkstatt geht es prächtig, Mattstedt. Und Ihr könnt mir nicht erzählen, dass Ihr das nicht wisst. Die meisten Aufträge sind nicht über unseren Zunfttisch gegangen, wie es die Sitte verlangt. Ihr habt sie Euch selbst in die Tasche geschoben.»
Er lachte jovial und breitete die Arme aus: «Aber wer bin ich schon, dass ich Euch Vorschriften machen könnte? Ein Zunftmeister ist nicht halb so viel wert wie ein Ratsherr mit eigenen Kuxen.»
Mattstedt stimmte in sein Lachen ein. «Mein Besuch hat einen anderen Grund. Ich komme wegen David, unserem Gesellen.»
«Was ist mit ihm?»
«Fragen wollt ich, ob seine Papiere in Ordnung waren. Was wisst Ihr über seine Herkunft?»
Der Innungsmeister zuckte mit den Achseln. «Ich weiß nicht mehr als Ihr, Ratsherr. Die Zunft in Nürnberg hat ihm bescheinigt, dass er bei einem der Ihren gearbeitet hat. Nun, die Nürnberger haben weit größere Zunfterfahrungen als wir. Es wird schon seine Ordnung haben mit dem Gesellen. Schließlich haben die Nürnberger ihm eine Referenz geschrieben. Und Ihr selbst wart es, der Geld für ihn in die
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