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Die Silberschmiedin (2. Teil)

Die Silberschmiedin (2. Teil)

Titel: Die Silberschmiedin (2. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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sein.
    Sie brach das Siegel und las:
     
Eva,
warum bist du nicht nach Frankfurt gekommen, als ich dich rief? Aber zum Glück ist noch nicht alles verloren. Deine Heiratsabsichten schaden zwar dem Unternehmen, doch du bist jung, und man wird dir verzeihen. Frage den Gesellen nach seinen Papieren. Du wirst sehen, dass er keine hat. Du kannst ihn also nicht heiraten. Für seine Anwesenheit in Leipzig besteht danach keinerlei Grund mehr.
In der Anlage schicke ich dir die Kopie einer Urkunde unseres Notars. Bis du wieder zur Vernunft gekommen und die Frau von Andreas Mattstedt geworden bist, gilt dieser Vertrag. Ich habe verfügt, dass dein Bruder Christoph die Frankfurter Besitztümer allein erbt, während du nur eine kleine Mitgift und erst nach meinem Tod die Werkstatt samt dem Wohnhaus erben wirst. Die Anteile an den Silberminen verbleiben in meinem Besitz und unter der Obhut von Andreas Mattstedt.
Sobald ich die Nachricht habe, dass der Hochzeitstermin mit Mattstedt an der Kirche angeschlagen steht, wird dieser Vertrag unwirksam, und dir steht – wie bisher – die Hälfte aller Besitztümer nach meinem Tod zur Verfügung.
Also eile dich und mache gut, was du angerichtet hast. Ich werde dir verzeihen und bin sicher, dass du in Zukunft mehr Vernunft walten lässt.
     
Deine dich liebende Mutter.
     
    Eva ließ den Bogen sinken. Alle sind gegen ihn, dachte sie. Vor allem diejenigen, die ihm ähnlich sind. Sibylla. Adam. Sie haben alle Angst vor ihm. Es ist, als fürchteten sie sich vor sich selbst.
    Eva trat ans Fenster und atmete die würzige Mailuft ein. Die Abenddämmerung senkte sich über die Dächer der Stadt. Das Licht wurde weich und die Geräusche in den Straßen gedämpfter. Drei Tage waren vergangen, seit sie David gebeten hatte, sie zu heiraten. Drei Tage, an denen sie kaum eine gemeinsame Minute Zeit füreinander hatten. An denen niemand ihre Entscheidung gutgeheißen hatte.
    Ute war die einzige Ausnahme gewesen. Sie hatte sie umarmt und ihr von Herzen Glück gewünscht. «Du wirst dir dein Leben so bauen, wie du es möchtest», hatte sie gesagt. «Und David wird dir dabei zur Seite stehen. Nicht seine Magd wirst du sein, nicht nur die Mutter seiner Kinder, sondern eine Partnerin in allen Fragen.»
    «Ja», hatte Eva genickt. «So wird es sein. Nur mit ihm kann ich alles leben, was in mir steckt.»
    Jetzt trat Eva zum Spiegel, und ihr war, als sähe sie heute darin eine Frau. Nicht mehr das Mädchen, nicht mehr die Tochter ihrer Mutter. Ich bin erwachsen, dachte sie, von sich selbst überrascht.
    Sie strich über ihre Brüste und bemerkte mit Erstaunen, dass sie sich unter der Berührung regten.
    Plötzlich klopfte es an ihrer Tür.
    Bevor sie hereinrufen konnte, war David in ihre Kammer getreten.
    «Betrachtet Ihr Euer Abbild?», wollte er wissen und deutete auf Evas Spiegelbild.
    Scham schoss in Eva hoch. «Nein», erwiderte sie. «Ich betrachte mich.»
    David nickte. «Warum ich?», fragte er.
    Eva sah ihn an. «Was meint Ihr?»
    «Warum wollt Ihr mich heiraten?»
    Eva blickte zu Boden. Sie wusste nicht, was sie antworten sollte. David hatte sie so förmlich angesprochen, wie es zwischen Meisterin und Gesellen üblich war, nicht aber unter Liebenden. War er gekommen, um ihr einen Korb zu geben?
    «Wollt Ihr mich um meinetwegen oder Euretwegen heiraten?», fragte David weiter.
    «Das ist eine seltsame Frage», versuchte Eva abzulenken.
    «Das ist die wichtigste Frage überhaupt», setzte er nach. «Erst, wenn Ihr sie mir beantwortet habt, werden wir uns verloben.»
    «Und Ihr? Warum habt Ihr zugestimmt?». Ärger stieg in Eva hoch. Reichte es ihm nicht aus, dass sie sich den Zorn der Mutter und das Unverständnis der Übrigen zugezogen hatte? Was wollte er denn noch? Sah er denn nicht, dass sie die Grenzen ihres Standes überschritten hatte und bereit war für das Neue? Und was war mit ihm?
    «Wollt Ihr mich Euretwegen oder meinetwegen heiraten?», gab sie die Frage zurück.
    Er sah sie an, doch sein Blick war nicht weich und schmeichelnd, sondern prüfend. «Ich habe dich für mich gezeichnet. Schon als ich dich das erste Mal sah.»
    Plötzlich lächelte er. Seine Hand strich sanft über ihre Wangen. «Du bist schön. Dein Gesicht und dein Körper sind voll unentdeckter Reize. Aber wie schön ist deine Seele?»
    Mit dieser Frage ließ er Eva allein zurück.
    Sie sah ihm nach, dann wandte sie sich erneut dem Spiegel zu. Davids Frage ging ihr nicht aus dem Kopf. «Wollt Ihr mich meinetwegen oder

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