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Die Silberschmiedin (2. Teil)

Die Silberschmiedin (2. Teil)

Titel: Die Silberschmiedin (2. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Euretwegen heiraten?»
    Sie sah in den Spiegel und antwortete leise: «Deinetwegen, David. Weil ich dich liebe.»
    Während sie diese Worte sprach, wurde ihr bewusst, dass es nicht stimmte. Sie schlug die Augen nieder.
    Ich lüge, dachte sie. Ich belüge mich selbst. Nicht um seinetwegen will ich ihn heiraten, sondern um meinetwegen. Sie hob den Blick und betrachtete sich erneut im Spiegel. Ihr war, als hätte sie ihre Unschuld verloren. Bis zu diesem Augenblick hatte sie geglaubt, David zu erhöhen und sich der neuen Zeit damit würdig zu erweisen. Doch sie hatte sich geirrt.
    Sie atmete tief ein, schloss für einen kurzen Moment die Augen, dann trat sie einen Schritt näher und sah sich an. «Ich heirate ihn meinetwegen. Der Mensch ist das Maß aller Dinge. Mein Maß aber soll David sein.»
    Die Worte kamen ihr so richtig vor. Sie fühlten sich beim Sprechen gut an.
    «So ist es!», sagte sie, fühlte sich auf einmal leicht und gut, lächelte sich an, dann wandte sie sich um, um David die Antwort zu bringen.
    Wie vor drei Tagen stand er mit dem Rücken am Fenster. Er hatte keine Lichter angezündet, nur der Mond überzog die Kammer mit einem silbernen Schein. Eva trat unsicher näher. Wie gerne hätte sie jetzt seine Augen gesehen. Doch sie musste es ihm sagen. «Ich möchte dich um meinetwillen heiraten.» Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, breitete er die Arme aus, und sie flog an seine Brust.
    «So ist es gut, Eva», flüsterte er und presste seine Lippen auf ihr Haar. «So soll es sein. Du musst mir immer die Wahrheit sagen, hörst du?»
    Sie löste sich von ihm, sah ihm in die Augen und nickte: «Ja, David. Ich werde dir immer die Wahrheit sagen. Du sollst wissen, wie und wer ich wirklich bin.»
    Er nahm sie in seine Arme und küsste sie. Dieses Mal war der Kuss warm und sanft.
     
    Die Verlobung sollte ein großes Fest werden. Alle sollten sehen, wie glücklich Eva war. Doch damit alles den rechten Weg ging, musste David seine Papiere vorweisen. Bisher hatte er noch keine beibringen können. Andreas Mattstedt spottete schon: «Du wirst sehen, dass er keine hat. Und ohne Nachweis einer ehrlichen Abkunft kannst du ihn nicht heiraten.» Eva ging nicht darauf ein und hielt Mattstedt entgegen: «Es ist alles so, wie es sein soll.» Da dem noch nicht ganz so war, nahm sie am Abend ihr Herz in beide Hände.
    «Hast du Papiere?», fragte sie David beinahe ängstlich.
    David lächelte. «Ändert es etwas, wenn ich keine habe?»
    «Dann können wir uns nicht ordentlich vermählen», antwortete Eva, und die Furcht kroch ihr den Rücken hinauf. «Wir würden kein Bürgerrecht bekommen, und ich würde die Werkstatt verlieren.»
    Sie seufzte und sah ihn an. «Aber ich würde dich trotzdem heiraten und, wenn es sein muss, mit dir vor den Toren der Stadt wohnen.»
    David nickte, als wäre dies genau die Antwort gewesen, auf die er gewartet hatte. Er griff in die Tasche seines Wamses, zog die Papiere hervor und reichte sie Eva.
    «Du stammst aus Halle an der Saale?», staunte sie. «Die Urkunde ist von zwei Männern in Halle bezeugt.»
    David nickte. «Aus der Nähe, ja.»
    «Dein Vater ist Gerber?»
    Wieder nickte er.
    «Ich möchte ihn kennen lernen», bat Eva. «Halle ist nicht so weit. Wir könnten zu ihm reisen, oder besser noch, wir werden ihn zur Hochzeit einladen.»
    «Nein, das werden wir nicht!», erwiderte David in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
    «Aber warum nicht?»
    «Ich habe meinen Vater seit Jahren nicht gesehen. Alles, was ein Vater und ein Sohn einander zu sagen haben, ist bereits ausgesprochen. Es gibt keinen Grund für eine Einladung.»
    Eva wunderte sich ein wenig, doch da es ihr mit ihrer Mutter ähnlich ging, bestand sie nicht darauf. Ohnehin war sie viel zu froh, dass David Papiere vorweisen konnte und seinen Gegnern vorerst das Maul gestopft war.
    Es dauerte eine Zeit lang, bis alle Verwaltungsnotwendigkeiten geregelt waren. Bis sämtliche Verfügungen getroffen, die Verlobung bekannt gemacht und die Mitgift vereinbart war, war es Juni geworden. Die Verlobung sollte am Johannistag stattfinden. Susanne und Bärbe begannen bereits am frühen Morgen, Tische und Bänke in den Hof zwischen Wohnhaus und Werkstatt zu stellen. Zwei junge Birken wurden mit weißen Bändern geschmückt, für das Johannisfeuer wurde ein großer Reisighaufen aufgeschichtet, der nach Einbruch der Dunkelheit entzündet werden würde.
    Die Tafel bog sich unter der Anzahl der Speisen, die Bärbe und Susanne seit

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