Die Silberschmiedin (2. Teil)
zerbröselte es in den Händen, Meister Faber trank sein Bier in einem Zug aus. Jeder vermied es, Susanne zuzusehen.
«Hör auf!», schrie Eva und wollte aufstehen, sich auf die Schwester stürzen und sie wegzerren, zum Schweigen bringen. Doch David hielt sie fest und rief: «Musik. Spielt auf, Musikanten!» Die Musiker gehorchten. Einer schlug das Mohrenpäuklein, ein anderer blies in die Schalmei, und eine Flöte erklang.
Schon sprang David auf, nahm Eva bei der Hand und zog sie in den Kreis. Plötzlich waren auch die anderen wieder da, drehten sich und tanzten, stampften mit den Füßen und klatschten in die Hände.
Susanne aber blieb stehen. Ihr Gesicht war von Tränen überströmt. Sie sah sich um, ihre Blicke suchten Halt, doch niemand wagte es, sie anzusehen. Schließlich raffte sie das Kleid und stürzte ins Haus.
Wie gut, dachte Eva, dass Andreas Mattstedt nicht gekommen ist. Sie sah hoch zum Fenster von Susannes Kammer. Doch David drehte ihren Kopf zu sich. «Kümmere dich nicht um sie», sagte er. «Sie weiß genau, was sie tut.»
Eine Frage konnte Eva jetzt nicht mehr unterdrücken. «War sie dein Liebchen?», fragte sie leise.
David lachte. Er nahm Evas Gesicht in seine Hände und sah sie an. Diesmal war sein Blick voller Zuneigung. «Nein, Eva, mein Liebchen war sie nicht.»
Obwohl sein Ton liebevoll war, wusste Eva immer noch nicht, ob er Susanne geliebt hatte oder gar immer noch liebte. Das Einzige, was sie wusste, war, dass er für Susanne die Bettdecke gelüpft hatte.
David bemerkte Evas Irritation und fuhr mit dem Daumen glättend über ihre Stirn. «Ich liebe dich, Eva», sagte er.
Es war das erste Mal, dass er diese Worte aussprach. Eva lächelte befreit und bemerkte erst jetzt, dass sie niemals sicher gewesen war, ob David ihre Gefühle erwiderte.
Das Fest war vorbei, und Eva war froh darum. Susannes Tanz hatte einen Schatten auf die Stimmung geworfen. Zwar wurde weiter getanzt, die Bierkrüge geleert und gute Worte für das Paar gesprochen, trotzdem kam Eva die Heiterkeit plötzlich falsch und aufgesetzt vor.
Sie atmete auf, als der Nachtwächter seine Runde drehte und das Fest beendet wurde.
Eva fühlte sich so müde und erschöpft, als hätte sie den ganzen Tag damit verbracht, Wassereimer vom Brunnen auf dem Markt in die Hainstraße zu schleppen.
Sie stand vor dem Spiegel und bürstete mit langsamen Strichen ihr Haar. David hatte ihr noch keine gute Nacht gewünscht, und sie ahnte, dass er noch einmal in ihre Kammer kommen würde.
Und richtig. Wenige Sekunden später klopfte es an ihrer Tür.
«Komm schnell rein», rief Eva. «Und sei bitte ganz leise.»
David schlüpfte geräuschlos in den Raum, denn obwohl sie seit heute miteinander verlobt waren, ziemte es sich nicht, zu nächtlicher Stunde zu zweit in einer Kammer zu sein.
David stellte sich hinter Eva, nahm ihr die Bürste aus der Hand und fuhr mit langsamen, festen Strichen über ihr Haar, das leise knisterte.
Seine linke Hand lag in ihrem Nacken und strich über die angespannten Muskeln. Eva schloss die Augen und seufzte. Dies war wohl der schönste Augenblick des heutigen Tages. Sie hatte das dringende Bedürfnis, auszuruhen. Sie war so müde.
«Ich möchte, dass du ab morgen auf Haarbänder, Schmuck und allen Zierrat verzichtest, Eva.»
Sie öffnete die Augen, drehte sich um und sah ihn an.
«Warum das?», wollte sie wissen.
David lächelte. «Weißt du es nicht?»
Eva schüttelte den Kopf.
«Ich möchte dich ab sofort nur noch in schlichten Kleidern sehen. Keine Stickereien, keine Perlen, keine Borten oder Bänder. Deine Kleider sollen aussehen wie die Gewänder der Nonnen. Gleich morgen wirst du dir einige davon bei einem Gewandschneider bestellen.»
«David, warum?»
«Damit du aus eigener Kraft zeigen kannst, wer und was du bist.»
Wieder schüttelte Eva den Kopf, doch diesmal energischer. «Soll ich mein Licht unter den Scheffel stellen? Soll ich mich verunstalten? Darf ich mich nicht schmücken wie alle anderen auch? Nein, David, das kannst du nicht von mir verlangen. Mein Wesen hängt doch nicht von der Kleidung ab. Willst du vielleicht, dass die Leute in der Stadt mich mit meiner eigenen Magd verwechseln?»
«Nicht mit einer Magd, Eva. Mit einer Nonne.»
Der Blick seiner Augen war so hart, dass Eva schluckte. Was war mit ihm los?
«Warum soll ich mich weniger schmücken als die anderen Frauen?», fragte sie und hob die Schultern. «Warum soll ich so tun, als trüge ich den
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