Die Silberschmiedin (2. Teil)
Niederlage anzuerkennen. Er nickte Eva zu und verließ ohne ein weiteres Wort das Haus.
Kapitel 17
In der Morgendämmerung brach Adam zu einem unbekannten Ziel auf. Niemand, auch Eva nicht, erfuhr, wohin sein Weg ihn führte.
Als sie sich am Stadttor von ihm verabschiedete, drückte er sie fest an sich und flüsterte ihr zu: «Behüt dich Gott, Eva. Alles wird gut werden.»
Dann schob er sie von sich, sah ihr in die Augen und fragte: «Denkst du seit gestern anders über mich?»
Eva schüttelte den Kopf. «Du bist mein Bruder, Adam. Wir sind vom selben Blut. Ich werde immer zu dir stehen, auch wenn ich hoffe, dass sich dein Herz eines Tages von seiner Verirrung löst und sich einer treuen Frau zuwendet.»
Adam lachte bitter. «Man kann sich nicht aussuchen, wen man lieben möchte, Eva. Nicht wir suchen die Liebe, sondern die Liebe sucht uns. Wenigstens kannst du jetzt sicher sein, dass ich mich an den Zwillingen nie vergangen habe.»
Dann küsste er sie noch einmal auf die Stirn und ritt davon.
Eva ging langsam zurück in die Stadt. Die ersten Sonnenstrahlen kamen über den Horizont und verwandelten das Kupferdach von St. Nikolai in einen Scheiterhaufen.
Allmählich belebten sich die Gassen. Handkarren rumpelten über das Pflaster, ein Fuhrknecht fluchte, Fässer wurden vorübergerollt.
Heinrich öffnete ihr das Hoftor. Wortlos ging Eva in die Werkstatt und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die winzigen Ringe, die sie zu einer Kette zusammenfasste. Als sie den Verschluss befestigen wollte und so fest an dem Schmuckstück riss, dass dieses in Einzelteile zersprang, fing sie an zu weinen. So wie die Kette war auch ihr Leben in tausend Teile zerfallen. Sie hatte nichts mehr, woran sie sich festhalten konnte.
In den nächsten Wochen wurde es immer schlimmer. David holte sie beinahe jede Nacht in die Werkstatt. Er nahm Abdrücke ihres Pos und fertigte daraus eine Obstschale, verzierte sie mit den üblichen Ornamenten und stellte sie in den Verkaufsraum. Ihre Achselhöhlen rasierte er und fertigte daraus Trinkgefäße, die Knie wurden zu Fingerschälchen, die Schenkel und Waden zu Kannen, der Bauch gar zu einer Pfanne aus Kupfer. Von jedem Ding behielt er ein Stück für sich und verleibte es dem Haushalt ein. Bei jeder Mahlzeit musste Eva erleben, wie die anderen aus ihren Achselhöhlen tranken, mit beiden Händen nach ihren Schenkeln griffen, mit schmutzigen Händen fettige Bratenscheiben von ihrem Bauch fingerten. Sie bekam kaum einen Bissen herunter.
Sie sah, wie Hände nach den Einzelteilen ihres Körpers auf dem Tisch griffen, und dachte: David hat mich zerlegt. Er hat mich auseinander genommen, in Stücke gerissen.
Jeden Abend betete sie um die Auflösung all ihrer Sorgen. Ihre einzige Hoffnung war, dass ein Kind ihrer aufgewühlten Seele Ruhe und Frieden schenken mochte. Doch David machte keine Anstalten mehr, das Lager seiner Frau zu teilen.
Stattdessen war er jetzt immer mit den Büchern beschäftigt, denn seitdem er auf seine gewagten Verzierungen verzichtete und nur seine Frau und er wussten, was die Vorbilder für die Schalen und Gefäße waren, kauften die reichen Leipziger wieder öfter in der Silberschmiede ein. Die Obstschale gehörte nun gar zum Ratssilber.
Der Gedanke daran, dass unzählige Männer ihre intimsten Stellen berührten, demütigte Eva, doch sie vermochte nichts daran zu ändern.
Eines Sonntags trafen sie Andreas Mattstedt beim Kirchgang.
Mattstedt grüßte und blieb stehen: «Nun, es ist lange her, seid ich Euch meine Aufwartung gemacht habe. Und noch länger ist es her, dass Ihr Gast in meinem Hause gewesen seid.»
«Es hat sich nicht ergeben», erwiderte David und sah über Mattstedts Kopf hinweg zur Kirche. Er unternahm nicht die geringste Anstrengung, das Gespräch in Gang zu halten.
Trotz dieser Unhöflichkeit fuhr Mattstedt fort: «Die Dominikaner haben beschlossen, Kreuz und Monstranz doch zu behalten. Die Zeit der Leihgabe ist abgelaufen. Sie haben das Geld bezahlt. Ich habe auf Evas Namen dafür einige Anteile einer Saigerhütte im Erzgebirge gekauft.»
Ein gewöhnlicher Satz, im Plauderstil vorgetragen. Doch er enthielt eine explosive Botschaft.
Davids Gesicht rötete sich vor Zorn. Auf seiner Stirn pulsierte die blaue Zornesader.
«Seid Ihr der Hüter meiner Frau, Mattstedt? Wollt Ihr mir die Rolle des Ehemannes streitig machen? An mir ist es, zu bestimmen, was mit dem Geld geschieht.»
Mattstedt lächelte fein. «Nun, man hat mich zu ihrem
Weitere Kostenlose Bücher