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Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Titel: Die Sisters Brothers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick deWitt
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weg, sondern hat sich irgendwo versteckt und gewartet, bis wir weitergeritten sind. Ich würde sagen, er hat uns ausgetrickst.« Da konnte ich ihm nur recht geben, und Charlie sagte: »Ich frage mich, wo dein Mädchen ist.«
    »Komisch, sie hatte ich ganz vergessen.« Einen Moment lang überraschte mich das, dann nicht mehr.
    Auf der Straße näherte sich jemand, den ich als den Weinenden erkannte. Wie immer führte er sein Pferd am Zügel, und Tränen rannen ihm übers Gesicht. Er sah uns gar nicht. Seine Trübsal hatte ihn in eine Art katatonische Starre verfallen lassen, was mich in diesem Moment sehr erboste. Ich nahm einen Stein und warf damit nach ihm. Der Stein streifte ihn an der Schulter, und der Weinende sah endlich her. »Hau ab hier, verschwinde!«, rief ich. Ich weiß gar nicht, was mich so an ihm ärgerte, aber es war so, als vertriebe ich eine Krähe von einer Leiche. Na gut, ich war betrunken. Auf jeden Fall setzte der Weinende seine elende Pilgerschaft fort. »Keine Ahnung, was wir jetzt tun sollen«, sagte ich zu Charlie.
    »Erst einmal nicht darüber nachdenken«, lautete sein Rat. Kurz darauf sagte er beinahe gutgelaunt: »Jetzt guck sich einer das an! Wenn das nicht die Liebe meines Lebens ist!« Tatsächlich war es seine Hure, die jetzt näher kam. »Guten Tag, schönes Fräulein, wie heißt du denn?«, sagte er. Nass und zerzaust stand sie vor uns. Ihre Augen waren gerötet, ihr Kleid schmutzig, und ihre Hände zitterten. Doch dann holte sie aus und warf mir etwas ins Gesicht: Münzen. Sie trafen mich an der Stirn und fielen dann zu Boden. Es waren die hundert Dollar, die einmal für die Buchhalterin bestimmt gewesen waren. Beim Anblick des Geldes musste ich lachen – auch wenn es letztlich bedeutete, dass die Buchhalterin tot war. Ich dachte bei mir: Vielleicht habe ich die Buchhalterin weniger geliebt als die Vorstellung, von ihr geliebt zu werden und dass ich dann nicht mehr so allein wäre. Trotzdem war mein Herz voller Trauer, und ich sah die Hure an und sagte in ihr erbarmenswürdiges Gesicht: »Was soll ich damit?« Sie spuckte aus und ging weg, und ich sammelte die Geldstücke auf. Ich gab Charlie fünfzig Dollar, die er sich mit elegant abgespreiztem kleinem Finger in den Stiefel steckte. Mit meinen fünfzig Dollar tat ich dasselbe, dann lachten wir, als wären wir das verrückteste Komikerduo aller Zeiten.
    Am Ende – die Flasche war so gut wie leer – saßen wir beide in der Gosse und wären dort wohl eingeschlafen, hätte Charlies Hure nicht die anderen Huren zusammengetrommelt. Die ganze Meute stand plötzlich vor uns und überschüttete uns mit Verwünschungen. Von wegen dass Mayfield weg sei und sein Hotel auch nicht mehr stehe und dass es allen jetzt viel schlechter gehe. Ohne Parfum und saubere, frisch gestärkte Sachen jeden Tag und so weiter. Über uns und unseren Charakter hingegen äußerten sie sich mehr als unfreundlich.
    »Seht euch diese Galgenvögel genau an!«
    »Jetzt sitzen sie in der Scheiße.«
    »Und dieser Fettsack da.«
    »Der andere hat irgendwas an der Hand.«
    »Der bringt keine Stalljungen mehr um.«
    Durch das Gekeife hindurch fragte mich Charlie: »Worüber regen die sich eigentlich so auf?«
    »Wir haben ihren Boss davongejagt, weißt du noch?« Gegenüber den Huren erklärte ich daher: »Wir haben doch das Hotel nicht angesteckt, das war Mayfield. Jedenfalls glaube ich das. Wir waren es jedenfalls bestimmt nicht.« Allein das brachte sie nur noch mehr gegen uns auf.
    »Wenn du noch einmal etwas Schlechtes über Mayfield sagst!«
    »Mayfield war gar nicht so übel.«
    »Er hat uns immer pünktlich bezahlt.«
    »Und wohnen konnten wir auch bei ihm.«
    »Nein, Mayfield war ein Bastard. Aber er war nicht halb so schlimm wie diese beiden Verbrecher.«
    »Ihr seid die wahren Verbrecher.«
    »Keine Frage.«
    »Was machen wir jetzt mit diesen Verbrechern?«
    »Lumpenhunde!«
    »Schnappt sie euch!«
    Und dann fielen sie über uns her. Durch ihre schiere Übermacht hatten sie uns bald am Boden, was Charlie zunächst komisch fand – wie ich übrigens auch. Unter mehreren Lagen von Frauenkörpern hörte ich ihn lachen. Doch das Lachen verging mir bald, als ich nämlich merkte, dass ich mich tatsächlich nicht mehr rühren konnte und hilflos zusehen musste, wie mir die flinken Hurenhände in meine Taschen fuhren und mich um mein ganzes Geld erleichterten. Da wurde ich, genauso wie Charlie, richtig böse und fing an, mich zu wehren und die Huren zu beschimpfen,

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