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Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Die Sisters Brothers: Roman (German Edition)

Titel: Die Sisters Brothers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick deWitt
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haben?«
    »Der Kommodore würde zumindest erwarten, dass wir uns Warms Claim ansehen.«
    »Genau. Wir könnten aber auch einfach sagen, wir wären dort gewesen und hätten niemanden angetroffen. Wir wissen ja, dass Warm nicht dort ist. Ich meine, es ist doch so: Wenn das Tagebuch nicht wäre, würde uns nichts zwingen weiterzumachen. Warum verbrennen wir es nicht einfach und tun so, als hätten wir es nie gesehen?«
    »Und was, wenn das Tagebuch nicht das Einzige ist, was uns antreibt?«
    »Soweit es mich betrifft, ist das Tagebuch das Einzige.«
    »Und was schlägst du vor, Bruderherz?«
    Ich sagte: »Wir haben den Mayfield-Zaster und unsere Ersparnisse daheim. Wir haben genug beisammen, um beim Kommodore zu kündigen.«
    »Warum sollten wir das tun?«
    »Wolltest du das denn nicht? Ich erinnere mich, dass du sagtest, dass du aus dem Job rauswillst.«
    »Jeder, der überhaupt einen Job hat, sagt so etwas von Zeit zu Zeit.«
    »Wir besitzen genug, um damit aufzuhören, Charlie.«
    »Aufhören – und was dann?« Er pulte sich einen Fettstreifen aus den Zähnen und warf ihn auf den Teller. »Willst du mir den Appetit verderben?«
    »Wir könnten zusammen ein Geschäft aufmachen«, sagte ich.
    »Was zum …? Was für ein Geschäft?«
    »Wir haben lang genug dafür gearbeitet. Wir sind noch nicht alt, wir haben noch ein paar gute Jahre vor uns. Jetzt wäre die Chance auszusteigen.«
    Meine Worte erzürnten ihn zunehmend. Nicht mehr lang und er würde erst mit der Faust auf den Tisch und dann mir ins Gesicht hauen, so ging es immer. Aber diesmal musste ihn irgendein strategischer Gedanke davon abgehalten haben, denn er sägte seelenruhig weiter an seinem Steak. Überhaupt war sein Appetit ungemindert, während mein Essen langsam kalt wurde. Als er fertig war, rief er nach der Rechnung und zahlte für uns beide, trotz des gesalzenen Betrags. Ich bereitete mich innerlich schon auf die Kränkung vor, die unweigerlich folgen würde. Und sie kam. Er kippte nur noch den Rest Wein hinunter und sagte dann: »Na gut, halten wir fest: Du willst aussteigen. Dann steig aus.«
    »Heißt dass, ich kann aufhören, aber du machst weiter?«
    Er nickte. »Natürlich. Ich brauche nur einen neuen Partner. Rex hat schon angefragt, vielleicht reitet er das nächste Mal mit.«
    »Rex?«, sagte ich. »Rex ist wie ein sprechender Hund.«
    »Eben. Er tut, was ich sage – wie ein Hund.«
    »Er hat aber auch nicht mehr Grips als ein Hund.«
    »Oder ich nehme Sanchez.«
    Da verschluckte ich mich und musste husten, bis mir der Wein aus der Nase rann. »Sanchez?«, rief ich, »Sanchez?«
    »Sanchez ist ein guter Schütze.«
    Ich hielt mir den Bauch vor Lachen. »Sanchez!«
    »Ich habe nur laut gedacht«, sagte Charlie und wurde wenigstens rot. »Es dauert vielleicht eine Weile, bis ich den Richtigen gefunden habe. Aber deine Entscheidung ist gefallen, und ich akzeptiere sie. Der Kommodore hat garantiert nichts dagegen.« Er steckte sich eine Zigarre ins Gesicht, lehnte sich zurück. »Wir machen noch diesen Auftrag zu Ende und gehen danach getrennter Wege.«
    »Warum sagst du das: getrennter Wege?«
    »Ich arbeite weiter für den Kommodore, und du wirst Ladenschwengel.«
    »Aber heißt das, dass wir uns nie wiedersehen?«
    »Ich komme dich besuchen, wenn ich zufällig in Oregon City bin und ein neues Hemd oder Unterwäsche brauche. Ich schwöre, ich komme immer zuerst zu dir.« Er stand auf, und ich dachte: Will er wirklich, dass ich aufhöre, oder ist das alles nur eine Masche, um mich bei der Stange zu halten? Ich suchte in seiner Körperhaltung nach einer Antwort und erhielt zumindest eine Andeutung: als nämlich die Zornesfalte auf der Stirn verschwand und er entnervt die Schultern hängen ließ. Kein Zweifel, er bemitleidete mich in meiner Armseligkeit, meiner Erniedrigung. Er sagte: »Morgen früh reiten wir los und suchen Warm und Morris. Wir bringen diesen Auftrag zu Ende, und dann überlegen wir, was geschehen soll.« Mit diesen Worten verließ er das Restaurant. Der schnieke Kellner erschien und war ganz erschrocken, dass ich schon gehen wollte, denn ich hatte mein Essen kaum angerührt, worüber er ungehalten war: das schöne Essen verkommen zu lassen! »Sir!«, rief er voller Empörung. »Sir! Sir!« Aber ich ignorierte ihn und ging hinaus in die Dschungelnacht von San Francisco. Überall beleuchtete Fuhrwerke und andauerndes Peitschenknallen, dazu der Geruch von Pferdedung und brennendem Öl. Und über allem ein ungeheurer Lärm.
    Ich

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