Die sizilianische Oper
richtigerweise verfügt werden, ohne daß sie jedoch mit der entsprechenden notwendigen Strenge angewandt werden.
Was sich gestern abend in Vigàta zugetragen hat, ist die schmerzliche Bestätigung eines Gedankens, den ich seit geraumer Zeit hege. Von allen anderen Betrachtungen einmal abgesehen, kommt das, was aus Anlaß der Eröffnung des neuen Theaters von Vigàta geschehen ist, einer regelrechten Volkserhebung gleich, die von einer Handvoll Gewalttätiger gegen meine Person als Vertreter des Staats entfacht wurde. Es handelte sich, was auch immer andere mit leeren Worten sagen oder behaupten mögen, um eine aufrührerische Bewegung mit dem Ziel des Umsturzes und der Niederwerfung der staatlichen Autorität in dieser sizilianischen Provinz. Ich komme jetzt zu dem bloßen Tatbestand, der für sich spricht.
Als ich in mein hohes Amt trat, war der Bau des Theaters von Vigàta so gut wie abgeschlossen, es fehlten nur noch einige geringfügige Verschönerungen. Da die Ernennung der Mitglieder des Aufsichtsrats zu meinen Aufgaben gehört, beabsichtigte ich, zwei Persönlichkeiten aus Vigàta und vier aus Montelusa zu ernennen. Ich war der Annahme, daß die Nähe der Provinzhauptstadt mit Sicherheit zur Blüte des Theaters beitragen würde, und das gewiß in größerem Ausmaß, als die Vigateser selbst mit ihrem nur leidlichen Interesse für das Wesen der Kunst es Vorsitzende des Verwaltungsrats, der Marchese Antonio Pio di Condò, eine Person von edler Gesinnung und ausgeprägtem Taktgefühl, richtete eines Tages bei einem gemeinsamen Essen die Frage an mich, ob ich gar einen Vorschlag bezüglich der für den Einweihungsabend zu wählenden Oper zu machen hätte – das heißt für eine mit Sicherheit feierliche Veranstaltung. So kam mir ganz beiläufig der Titel der Oper Der Bierbrauer von Preston in den Sinn, deren triumphaler Uraufführung in Florenz im Jahr 1847 ich als junger Mann beiwohnen durfte. Gewiß nicht aus persönlichen Gründen nannte ich diesen Titel! Sondern weil ich der Ansicht war, daß diese Oper ob ihrer anmutigen Leichtigkeit, der einfachen Texte und der Musik dem zurückgebliebenen Verständnis für jede höhere Kunstdarbietung seitens der Sizilianer, insbesondere der Vigateser, am besten entspräche. Es handelte sich, das möchte ich noch einmal betonen, um einen simplen Vorschlag während eines Tischgesprächs. Doch der Marchese als aufrechter Patriot und angesehener Vertreter der Regierungspartei legte denselben mißverständlich als eine amtliche Anordnung aus – eine Anordnung, die ich in Wirklichkeit weder die Befugnis hatte zu geben noch die Absicht. Als einige der Mitglieder des Verwaltungsrats, Freimaurer und Mazzini-Anhänger aus Vigàta, erfahren hatten, daß dieser Vorschlag von mir stammte, lehnten sie sich aus Stolz und purem Widerspruchsgeist dagegen auf und verbreiteten das böswillige Gerücht, daß es sich nicht um eine bescheidene Commendatore Massimo Però ernannt, ein vernünftiger Mann mit diplomatischem Geschick. Da also machte einer der Ratsherren, der Studienrat Artidoro Ragona, erneut den Vorschlag, diese Oper zur Aufführung zu bringen, die er in der Zwischenzeit während eines Aufenthalts in Neapel hatte schätzen lernen können. Das geschah, und es ist gut, das noch einmal zu sagen, ohne das geringste Eingreifen meinerseits. Auch dazu regten sich böse Zungen, die behaupteten, es bestünde keine rein zufällige Beziehung zwischen dem Vorschlag des Commendatore Però und der Tatsache, daß sein Sohn Doktor Achille Però die öffentliche Ausschreibung für die Stelle als Erster Sekretär bei der Präfektur von Montelusa gewonnen hatte. An dieser Stelle muß ich mit Bestimmtheit erklären, daß der verdiente Erfolg des tüchtigen jungen Achille Però rein gar nichts mit der Fürsprache von Herrn Emanuele Ferraguto mir gegenüber zu tun hat, wie man bösartig hatte glauben machen wollen. Ferraguto ist eine Person von erhabener Gesinnung, hoher Kultur und großzügigem Herzen …
» An den Herrn Propheten Bortuzziiccillenza, Montelusa
Lieber Prophet, Du bist ein Riesenarschloch. Warum haust Du nicht ab und verziehst Dich wieder in Dein Florenz? Du bist kein Prophet, sondern ein stinkiger Scheißkerl und ein Mörder obendrein. Du hast wegen des Brands im Theater drei Menschenleben auf dem »Meine Kinder, meine lieben Gemeindemitglieder im Namen des Herrn. Wie der ans Kreuz genagelte Christus verliert mein Leib in diesen Tagen zwar nicht Blut, aber Galle, glaubt mir.
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