Die sizilianische Oper
Exzellenz?«
»Nichts sonst, warte draußen.«
Zehn Stühle, zwei Schreibtische, von denen einer jetzt vom Abgeordneten bezogen wurde, und ein paar Öllampen waren die ganze Ausstattung des großen Raums. Nicht ein einziges Blatt Papier, keine Sammelmappe, kein Aktenordner: in dieser Gesellschaft wurde alles mündlich erledigt.
»Mein geschätzter Freund Restuccia hat mir geschrieben, daß Ihnen ein Unrecht widerfährt. Warum
»Nein, Herr Abgeordneter, mein Vater. Er ist auf Anweisung des Präfekten Bortuzzi wegen Diebstahls verhaftet worden.«
»Ach!« meinte Fiannaca trocken.
»Und dieses Lügenmärchen mit dem Diebstahl hat der Präfekt nur erfunden, weil meinem Vater die Oper, die der Präfekt im neuen Theater in Vigàta aufführen lassen will, nicht gefällt. Er hat den Hauptmann Villaroel und Don Memè Ferraguto eingeschaltet.«
»Halt«, gebot der Abgeordnete plötzlich alarmiert. Und rief laut: »Gaetanino!«
Der Jäger tauchte wie aus dem Nichts auf.
»Was gibt's?«
»Bitte wiederholen Sie vor Gaetanino, was Sie eben zu mir gesagt haben.«
Minicuzzo spürte, wie die Wut in ihm hochkam. Was wollten die beiden eigentlich von ihm? Sollte das eine Drohung sein?
»Das wiederhole ich auch vor dem lieben Gott. Der Präfekt hat meinen Vater heimtückisch und unter Beihilfe des Hauptmanns Villaroel und dieses großen Hornochsen Don Memè Ferraguto hinter Gitter gebracht.«
»Habe ich richtig gehört?« fragte der Abgeordnete mit gefaßter Stimme. »Haben Sie gesagt, Don Memè ist ein Hornochse?«
Der Abgeordnete sah ihn einen Augenblick an, dann wandte er sich an den Jäger: »Gaetanino, du hast es mit eigenen Ohren gehört. Dieser Herr, der mir von dem Commendatore Restuccio anempfohlen wurde, ist einer von uns. Von jetzt an will ich, daß er, nehmen wir an, er verläßt eines Tages bei Regen das Haus und rutscht auf dem Nassen aus, nicht in geringste Berührung mit dem Erdboden kommt. Ich will, daß jemand an seiner Seite ist, der ihn auffängt. Ist das klar?«
»Vollkommen klar.«
Gaetanino legte zwei Finger an die Coppola und ging hinaus.
»Und jetzt zu uns«, ergriff Fiannaca das Wort. »Fangen wir nochmals von vorne an. Ich war nämlich die letzten drei Monate nicht in Sizilien, da ich im Parlament zu tun hatte. Und mir sind zu diesem Fall Gerüchte zu Ohren gekommen, von denen ich, ehrlich gesagt, nicht die Bohne verstanden habe. Können Sie mir erklären, was in Vigàta passiert?«
Gegen drei Uhr nachmittags überwachte Don Memè zornig die Leute, die an den Hauswänden von Vigàta die Plakate für die bevorstehende Opernaufführung anbrachten. Während in Montelusa und den umstehenden Orten die Plakate hängen blieben, waren die in Vigàta schon nach einer halben Stunde abgerissen, und keiner wußte, was für ein Ende sie genommen hatten. Don Memè Gaetanino Sparma im Sattel, den Feldhüter des Abgeordneten Fiannaca aus Misilmesi. Feldhüter war er nur dem Namen nach, denn die ganze Welt wußte, daß Gaetanino keinen Olivenbaum von einem Weinstock unterscheiden konnte und daß der Abgeordnete nicht einmal einen Gemüsegarten besaß. Es handelte sich um einen Euphemismus und bedeutete, daß Sparma für andere »Felder« zuständig war, mit denen sich Fiannaca beschäftigte. Und Don Memè war darüber bestens im Bilde.
»Don Gaetanino! Welch ein Vergnügen! Was verschlägt Sie hierher?«
»Ich hab's eilig und komme hier nur vorbei.«
»Steigen Sie doch ab und lassen Sie sich ein Glas anbieten.«
Dieser stieg vom Pferd und hielt die Flinte über der Schulter mit beiden Händen ganz fest.
»Euer Wohlgeboren, Don Memè, Sie müssen entschuldigen, wenn ich nicht annehme. Aber ich habe wirklich keine Zeit. Ich bin nur auf dem Durchritt.«
Und kein weiteres Wort kam über seine Lippen, während er die Zügel richtete. Don Memè begriff mit einem Schlag, daß es sich um etwas Schwerwiegendes handeln mußte. Es war an ihm, das Wort zu ergreifen: »Hat sich etwas ereignet? Der Abgeordnete …«
»Der Abgeordnete«, schnitt ihm der andere das Wort ab,
bestimmt ein Fehler vorliegt. Ein Fehler Ihrerseits, Don Memè.«
»Ach ja?«
»Ja. Und auch in Ihrer allzu großen Freundschaft mit dem Präfekten gibt es einen Fehler.«
Don Memè wurde blaß.
»Ich möchte gern etwas erklären«, sagte er.
Der andere sah ihn mit eisiger Miene an.
»Mir? Mir wollen Euer Wohlgeboren etwas erklären? Ich begreife nichts von diesen Dingen,
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