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Die sizilianische Oper

Die sizilianische Oper

Titel: Die sizilianische Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Sie keinen Unsinn! Ihr Enkel Mariolo ist ein tüchtiger junger Bursche!«
      »Gewiß, mehr als tüchtig. Aber Sie waren es, der etwas aus ihm gemacht hat. Sie haben ihn erst den Knüppel schmecken lassen und ihm dann mit viel Geduld, Schweiß und Mühe Verstand beigebracht.«
    »Das ist meine Arbeit.«
      »Was das Thema Arbeit angeht, verzeihen Sie, kenne ich mich etwas besser aus als Sie. Ich leite die Gesellschaft, die die Hafenarbeiter für den Schmuggel stellt. Es gibt keine Arbeit am Hafen, sei es Schwefel, Mandeln, Saubohnen aufladen oder Waren und Geräte abladen, die nicht von meinen Männern besorgt wird. Von der Frage, wer gut arbeitet und wer schlecht, verstehe ich also wesentlich mehr als Sie.«
      Der Lehrer zog die Uhr aus der Westentasche und sagte: »Ich danke Ihnen für Ihre Solidarität, aber es ist schon spät, und ich muß in die Klasse zurück.«
      »Gestatten Sie mir noch einen Augenblick. Ich bin hier, weil mir hinterbracht wurde, daß Sie tags zuvor, als Ihr Vater verhaftet wurde, vor der ganzen Schulklasse in Tränen ausgebrochen sind.«
    »Das stimmt. Aber ich habe mich sofort bei meinen
    des Präfekten, oder wer sonst noch meine Worte hört, gewahrt wird. Und das nur deshalb, weil er öffentlich seine Meinung über diesen Schwachsinn des Bierbrauers von Preston gesagt hat. Ich war so frei und habe gewisse Maßnahmen getroffen. Ich habe ein paar Zeilen über diesen Fall an den Abgeordneten Fiannaca geschrieben.«
      »An Fiannaca? Aber der Abgeordnete wird mir nicht mal zuhören wollen!«
    »Ihnen sicher nicht, aber mir schon!«
      Das Gesicht des Grundschullehrers verfinsterte sich. Er machte ein paarmal den Mund auf, als wolle er etwas sagen, und schloß ihn dann wieder.
    »Was gibt es?« fragte der Commendatore.
      »Sie verzeihen mir eine Frage, und das ist keine Floskel, sondern Sie müssen mir die Frage wirklich verzeihen. Wird der Gevatter Memè das nicht übelnehmen?«
    Der Blick des Commendatore wurde eisig.
      »Memè ist die Fliege, die sich auf dem Scheißhaufen niederläßt. Machen Sie sich keine Sorgen wegen Ferraguto. Sie steigen morgen früh in den Fünfuhrzug nach Misilmesi. Um halb acht sind Sie dort, und um acht klopfen Sie an die Tür des Abgeordneten. Der wird Sie sofort empfangen.«
    »Was haben Sie in dem Brief geschrieben?«
    »Nichts weiter. Ich habe nur geschrieben, daß Sie eine verdienstvolle Person sind, der ein Unrecht angetan Mongolenbärtchen, weit aufgerissenen Augen hinter dem Kneifer, in Hausjacke und Hausschuhen, die Arme und hielt sie von sich gestreckt, als wolle er Abstand zwischen sich und Minicuzzo schaffen.
      »Verzeihen Sie, aber es gibt da eine höchst dringliche Frage im voraus zu klären. Das Schreiben des Freunds Restuccia sagt diesbezüglich nichts Genaues: mit wem möchten Sie sprechen?«
      Minicuzzo starrte ihn fassungslos an. Er war sehr früh aufgestanden und hatte noch einen benommenen Kopf.
    »Ich möchte mit …«
      »Mit dem Rechtsanwalt Fiannaca sprechen?« unterbrach der andere ihn sofort.
      »Mit Fiannaca ja, aber nicht mit dem Anwalt«, entgegnete Adornato und war wieder etwas klarer bei Sinnen.
    »Mit dem Parlamentsabgeordneten Fiannaca also?«
      Minicuzzo war unentschieden. Fiannaca beschloß, ihm auf die Sprünge zu helfen.
    »Ist es eine politische Angelegenheit?«
    »Nein, Herr, zumindest glaube ich das nicht.«
    Das Gesicht des Abgeordneten erhellte sich.
    »Dann wollen Sie also mit Fiannaca sprechen, dem Vorsitzenden der Gesellschaft für gegenseitige Hilfe Ehre und Familie .«
    machte nicht halt vor der kleinen Tür an der Seite, an der ein emailliertes Schild mit der Aufschrift »PAOLO FIANNACA, RECHTSANWALT« hing und vor der fünf oder sechs Personen warteten, die sich vor dem vorübergehenden Abgeordneten ergebenst verbeugten und Grußworte und Segenswünsche murmelten. Einige Meter weiter gab es eine weitere kleine Tür mit einem Schild daneben, auf dem stand: »GESELLSCHAFT FÜR GEGENSEITIGE HILFE EHRE & FAMILIE«. Am Türrahmen lehnte ein zwei Meter großes Mannsbild in Jägerkleidung, mit Coppola, Doppelflinte über der Schulter und Patronengurt um den Bauch. »Geben Sie nur her«, sagte er, als der Abgeordnete in Reichweite war.
      Fiannaca reichte ihm den kleinen Schlüssel. Der Riese schloß auf, trat ein und riß das Fenster des einzigen und großen Zimmers auf, das den Sitz der Gesellschaft für gegenseitige Hilfe darstellte.
    »Haben Sie noch einen Wunsch,

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