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Die sizilianische Oper

Die sizilianische Oper

Titel: Die sizilianische Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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ich tue nur, was mir befohlen wird. Wenn der Herr irgend etwas zu erklären hat, muß er das dem Abgeordneten sagen.«
      Und damit war er wieder im Sattel und galoppierte grußlos davon.

    Nachdem Don Memè bleichgesichtig, aber bestimmt mit dem Ehepaar Lumìa einen lebhaften Gedankenaustausch gehabt hatte, ließ die Frau den Hauptmann Villaroel rufen. Auch sie war blaß und ebenso bestimmt, als sie dem Hauptmann erklärte, daß der heilige Anton ihr im Traum erschienen sei und ihr Gedächtnis wieder aufgefrischt hätte: sie selbst habe den Schmuck versteckt aus Angst, daß das neue Dienstmädchen sich an ihm vergreifen könne. Das habe sie dann vollkommen vergessen. Man müsse also umgehend dafür sorgen, daß der unschuldige und zu Unrecht angeklagte Schreiner keine Minute länger hat«, sagte Bortuzzi zu dem Alten vor ihm, der wie Espenlaub zitterte. »Aber bevor Sie heimgehen, möchte ich Sie beiläufig noch etwas fragen.«
    »Ihr ergebenster Diener«, nuschelte der Schreiner.
      »Wollen Sie mir bitte erklären, warum Sie so sehr gegen die Aufführung des Bierbrauers von Preston sind?«
      Den Schreiner traf fast der Schlag. Mit allem hatte er gerechnet, nur nicht mit einer solchen Frage. Kurzerhand war er der Meinung, daß der Präfekt sich einen Scherz mit ihm erlaube.
    »Euer Wohlgeboren, ist das Ihr Ernst?«
    »Mein voller Ernst, guter Freund.«
      Der Schreiner überlegte eine Weile und erzählte dann mit fester Stimme.
    »Exzellenz, ich bin im Jahr 1805 geboren. Mein Vater
    war arm, zu Hause gingen wir oft mit knurrendem Magen zu Bett. Als ich sechs Jahre alt war, wurde ich als Laufbursche in der Schreinerwerkstatt Foderà eingestellt. Foderà war ein in ganz Palermo bekannter Schiffsbaumeister, ein Künstler war er. Er schloß mich in sein Herz und nahm mich überallhin mit. Als ich zehn Jahre alt war, brachte mich der Meister Foderà eines Tages in den Palazzo eines Deutschen, der, glaube ich, Marsan hieß. Dieser hatte zwei alte Schränke, die er restaurieren lassen wollte. Seine Möbel hütete er wie Augäpfel, und er wollte deshalb, auch wenn ihn das mehr kostete, daß die Arbeiten in seinem Haus durchgeführt werden. Dem und von einem gewissen Mozart stammte. Diese Oper war ihm, dem Baron, großartig vorgekommen, hatte aber keinem einzigen Palermitaner gefallen. Da hatte der Baron beschlossen, eine andere Oper desselben Mozart ganz auf seine Kosten aufführen zu lassen, und die hieß Il flautu magicu. Er ließ Sänger, Orchester, Bühnenbilder und den ganzen Rest aus Neapel kommen und bezahlte alles aus eigener Tasche. Und so sagte der Baron zu dem Deutschen, daß am nächsten Tag diese Aufführung stattfinden würde und daß er nicht einen einzigen Palermitaner im Theater haben wollte, nur den Deutschen. Noch heute weiß ich nicht, warum ich die Arbeit stehen- und liegenließ, vor den Herrn Marsan trat und ihn bat, auch mich zu der Aufführung mitzunehmen. Der Deutsche lachte und sah den Baron an, und der nickte. Tags darauf waren nur wir drei im Theater: der Baron und der Herr Marsan saßen in der größten Loge, die es gab, und ich kletterte ganz nach oben, fast bis zum Dachstuhl. Es waren kaum fünf Minuten vergangen, das Orchester spielte, und die Sänger sangen, und hohes Fieber setzte bei mir ein. Mein Herz schlug heftig. Einmal wurde mir ganz heiß und dann wieder eiskalt. Mein Kopf drehte sich. Ja, es war, als wäre ich eine Seifenblase geworden, eine von denen, die die Kinder zum Spiel mit den Strohhalmen blasen. Leicht und durchsichtig begann ich zu schweben. Jawohl, zu schweben. Exzellenz, Sie müssen mir glauben, ich flog! Als erstes zeigte sich mir das Theater von außen, der Platz mit all den Leuten und den Tieren, und die ganze Stadt der Wolken und der frischen, blau angemalten Luft und einiger Sterne, die noch nicht angezündet waren. Dann waren die Musik und der Gesang zu Ende. Ich schlug die Augen auf und war allein im Theater. Ich hatte keine Lust hinauszugehen, in meinem Innern erklang noch immer Musik. Ich schlief ein und erwachte, verlor das Bewußtsein und kam wieder zu mir. Ich lachte und weinte, ich kam auf die Welt und starb, all das bewirkte die Musik in meinem Innern. Am nächsten Tag hatte ich noch immer Fieber und fragte Herrn Marsan, ob er mir nicht das Flötenspiel beibringen könne. Und er tat es. Das ist alles, Exzellenz. Seit jenem Tag gehe ich mir Musik und Opern anhören, sogar den Zug nehme ich und suche, suche und werde nie fündig.«
      »Was suchen

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