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Die Skelettbande

Die Skelettbande

Titel: Die Skelettbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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dann sogleich wieder zurück. Hedonis schlug sein Werk
an einer bestimmten Stelle auf und begann zu lesen.

    Karl hörte aufmerksam zu und
beobachtete dabei die Reaktionen des Publikums. Es herrschte absolute Stille im
Raum. Hier und da konnte man das ruhige und gleichmäßige Atmen der Zuhörerinnen
und Zuhörer vernehmen, die nun wie gebannt an den Lippen von Hedonis hingen.
Das Charisma des Autors zog das Publikum wie bei einem Magier völlig in seinen
Bann. Die Menschen schienen elektrisiert und gerieten in einen rauschartigen
Zustand, je länger Hedonis aus seinem Buch vorlas.
    Tim, Karl, Klößchen und Gaby
kam das Ganze äußerst komisch vor. Ihnen drängte sich unwillkürlich der Gedanke
an eine Sekte auf, deren Guru zu seinen Anhängern sprach.
    Hedonis breitete ein Potpourri
an Ratschlägen aus, die unendliches Glück versprachen, wenn man sie nur richtig
befolgte. Und das »Wie« beschrieb er seinen Fans, auf die das wie eine
Glücksdroge wirkte, in aller Ausführlichkeit.
    »Die Leute drehen völlig ab.
Das ist ja wie bei einem Popkonzert.« Gaby war total baff.
    Tim, der die Verwandlung des
Publikums ebenfalls mitbekommen hatte, beobachtete eine ältere Frau, die
aufgeregt wie ein kleines Mädchen an ihren Haaren kaute und mit leuchtenden
Augen wie gebannt auf Hedonis blickte. »Ein totaler Irrsinn«, wisperte er Gaby
zu. »Die Leute sollten sich lieber um andere Menschen kümmern, denen es
schlechter geht, als sich andauernd mit sich selbst zu beschäftigen.«
    Gaby nickte.
    Nach den letzten Worten schlug
Hedonis das Buch zu und das Publikum brach unversehens in Beifallsstürme aus.
»Wenn Sie Fragen haben, dann stellen Sie sie bitte jetzt«, forderte er auf und
bleckte seine strahlend weißen Zähne. Arme schossen in die Luft. Jeder wollte
zuerst eine Frage stellen.
    »Der Junge mit der Nickelbrille
in der dritten Reihe da bitte zuerst!« Hedonis zeigte auf Karl, der sich nervös
umschaute, weil er nicht damit gerechnet hatte, als Erster aufgerufen zu
werden. Er räusperte sich: »Zunächst einmal vielen Dank für Ihre interessanten
Ausführungen!«
    Hedonis nickte selbstzufrieden
in Richtung Publikum.
    »Und zweitens: Was haben die
Totenköpfe in Ihren Büchern zu bedeuten?«
    »Wie bitte? Ich verstehe nicht,
was du meinst.« Hedonis schaute irritiert.
    Das Publikum reagierte
ungehalten. »Wie kannst du nur so eine blöde Frage stellen? Willst du Herrn
Hedonis auf den Arm nehmen«, raunte eine Frau mit etwas zu viel Make-up im
Gesicht. Ein älterer Herr, der sich auch gemeldet hatte, überging Karl einfach
und sagte: »Vergessen Sie, was der Junge gesagt hat. Ich hätte eine Frage zu
dem Kapitel in Ihrem Buch, in dem...«
    »Sie haben meine Frage noch
nicht beantwortet«, fiel ihm Karl ins Wort.
    Der ältere Herr schaute Karl
böse von der Seite an und zischte: »Unverschämte junge Leute sind das
heutzutage!«
    »Ich glaube, ich weiß, was du
meinst«, antwortete Hedonis ruhig. »Ja, es stimmt, in allen meinen Büchern
verstecken sich diese Totenköpfe. Manchen fällt das überhaupt nicht auf. Andere
betrachten es als dekorative Illustration. Aber es hat tatsächlich eine tiefere
Bedeutung.«
    Karl und das Publikum horchten
neugierig auf.
    Hedonis machte eine kurze
Pause, hielt inne. Für einen Moment schien es so, als ob er einem trüben
Gedanken nachhing. Er wirkte geistesabwesend und seine Gesichtszüge waren wie
versteinert. »Wir nannten uns die Skelettbande, sagte er plötzlich.
    Gaby fiel die Kinnlade nach
unten. Selbst Tim, der sonst eigentlich immer recht cool reagierte, zuckte
zusammen.
    »Die Skelettbande«, kiekste Klößchen und fiel beinahe vom Stuhl.
    »Ganz recht«, fuhr Hedonis
fort. »Als Jugendliche hatten meine Freunde und ich — wie das viele in dem
Alter tun — eine Bande gegründet. Wir nannten uns die Skelettbande, weil
ein Skelett unser Symbol war.«
    »Warum?« Karl lehnte sich
interessiert nach vorne.
    »Jeder von uns musste eine
Mutprobe bestehen, um aufgenommen zu werden. Ich wurde zum Anführer der Bande,
weil ich großen Mut bewies, indem ich auf dem Friedhof um Mitternacht ein
Skelett aus grub.«
    »Uh, wie schauerlich«, murmelte
Klößchen vor sich hin.
    Hedonis bemerkte, dass sein
Publikum etwas verstört auf die Geschichte reagierte. Deshalb versuchte er die
Situation zu überspielen, indem er grinste und sagte: »Das waren eben Dinge,
die Kinder so tun, nicht wahr? Ich war da auch nicht anders.«
    Das Publikum entspannte sich.
Einige lachten erleichtert

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