Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
Hautfarbe, an der ich ohnehin nichts ändern kann.
Schnellen Schrittes gehe die breite King’s Street entlang und biege kurz vor Holbein Gate nach links in den St. James’s Park ein, mit gesenktem Kopf, die Hände in den Taschen des Burnus vergraben. Trotzdem starren mich die Menschen an, wenn ich vorbeigehe, vielleicht wegen meines schnellen Schritts, denn sie schlendern nur, genießen die schöne Aussicht und lachen über die Vögel, die beim Überqueren des vereisten Sees auf der Suche nach offenem Wasser ausrutschen.
Lieber Himmel, ist das kalt! Mein Atem bildet dichte Dampfwolken, während ich an einem Park mit Hirschen vorbeikomme. Die Tiere heben ihre Köpfe und schauen mich alarmiert an. Ich stelle mir Bogenschützen vor, die sich wie ich leise anpirschen und einen von ihnen für das Mittagsmahl des Königs erlegen. Kein Wunder, dass die Tiere auf der Hut sind. Eine abrupte Bewegung, und sie springen wie Gazellen davon, davon bin ich überzeugt. Langsamer mache ich einen weiten Bogen um den Park und empfinde eine gewisse Sympathie für die armen Geschöpfe. Diese Art von Freiheit ist keine echte Freiheit. Wie ich gehören auch sie mächtigen Menschen, und unser Leben hat ein Ende, wann immer es ihnen beliebt.
Ich komme an einem gepflasterten Pfad heraus, der zu einer breiten Straße führt. Hier wimmelt es von Kutschen und anderen Gefährten. Ich schlängele mich zwischen Passanten, Pferden, Sänften und Droschken hindurch, erreiche die gegenüberliegende Straßenseite und gehe durch die schmaleren Gassen weiter in Richtung Norden, wie man mir gesagt hat. Die Gegend wird schmutziger und ärmlicher, überall Unrat, und in der Luft hängt ein übler Geruch. In den Gullys fließt Abwasser, der beißende Gestank ist unverwechselbar. Nicht einmal die Gerbereien von Fès sind so schlimm. Ich muss mich verlaufen haben. An einer Kreuzung inspiziert ein Reitknecht das Bein eines Pferdes, das ein Hufeisen verloren hat.
»Verzeiht, Sir«, sage ich, und er richtet sich erstaunt auf. »Könnt Ihr mir sagen, wie ich nach Golden Square komme?«
Er zeigt auf ein Stück brach liegendes, mit Unrat übersätes Land. »Dort hinten. Geh weiter die James Street hinauf, an der alten Mühle vorbei und durch Dog Fields, bis du die vielen neuen Gebäude siehst, da ist es.«
Eine Reihe von Wohnhäusern erhebt sich stolz inmitten anderer halb fertiger Gebäude und weiterer, von denen gerade erst das Fundament zu erkennen ist. Doch schon jetzt kann man sehen, dass es ein beeindruckendes Viertel wird, wenn die Bauten einmal fertig gestellt sind. Vorerst freilich ist es weder golden noch wirklich ein Platz, sondern eher so etwas wie unser Sahat al-Hedim. Ich finde die Adresse auf dem Zettel und nähere mich der Nummer vierundzwanzig. An der Tür hängt eine Messingglocke – ein schlechtes Omen für einen Mohammedaner. Trotzdem ziehe ich daran. Lange Zeit tut sich nichts, dann öffnet sich die Tür einen Spalt, und ein Gesicht späht dahinter hervor.
»Kohlelieferungen am Hintereingang«, sagt eine Frau streng und knallt mir die Tür vor der Nase zu. Als mir endlich bewusst wird, dass es ein Missverständnis ist, schlage ich laut gegen die Holztür. Dieses Mal geht die Tür sofort weit auf. »Hab ich dir nicht gesagt …«
Jetzt stelle ich meinen Fuß in den Türspalt.
Sie starrt mich verwirrt an, senkt den Blick und sieht meinen Fuß. »Verschwinde, du schwarzer Bettler!«, schreit sie außer sich vor Wut.
»Hört mich an, ich habe etwas Geschäftliches mit diesem Gentleman zu besprechen.« Ich zeige ihr den Zettel, und sie starrt verständnislos darauf.
Im nächsten Moment kreischt sie los: »Hilfe! Ein Dieb! Ein Mörder! Hilfe!« Arme packen mich von hinten und werfen mich zu Boden. Mein Angreifer versucht, mir den Fuß auf die Brust zu setzen, um mich niederzuhalten, doch ich wälze mich herum, rolle zur Seite und packe ihn an den Beinen, woraufhin er ebenfalls mit einem heftigen Aufprall auf die Straße stürzt, flucht und rasch wieder aufspringt. In der kalten Luft stehen wir schnaufend da und beäugen uns misstrauisch. Er ist fast noch ein Junge, aber mit dem Körper eines Bullen.
»Ich bin weder ein Dieb noch ein Mörder. Ich suche nur einen gewissen Mr. Andrew Burke.«
Die Frau tritt auf die Stufen hinaus. »Warum hast du das nicht gleich gesagt?« Sie hat ein grobes, gerötetes Gesicht und trägt eine fleckige Schürze über einem Kleid aus dickem Wollstoff. »Das ist Mr. Burkes Haus.« Sie runzelt die Stirn und
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