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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson
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überreichen. Ich weiß nur, dass Kaid Mohammed ben Hadou eine endlose Antrittsrede hielt: Seine Majestät Sultan Abul Nasir Moulay as-Samin ben Sharif, Herrscher über Marokko und die alten Königreiche Tafilalt, Fès, Sousse und Taroudant, wünscht dem Erlauchten König von England Gottes Segen für seine körperliche und geistige Gesundheit und so weiter und so fort, einschließlich einer detaillierten, vom Sultan selbst ausgearbeiteten Aufzählung jener Punkte, die dem mohammedanischen und dem protestantischen Glauben gemeinsam sind und uns unseren Feinden, den Katholiken, überlegen machen … Der gelangweilte Blick des Königs schweift an ben Hadou vorbei und bleibt an mir hängen. In diesem Moment habe ich das Gefühl, als hätte ein kleiner Blitz mein Auge getroffen und mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Er verzieht den Mund und senkt dann eines der schweren Lider. Andere halten es möglicherweise für ein leichtes Zucken, mir aber sieht es verdächtig nach einem Zwinkern aus.
    Tage vergehen, ohne dass wir den König zu Gesicht bekommen. Stattdessen schickt man uns unzählige langweilige Hofbeamte, um über die Garnison in Tanger, deren Rechte und deren Schutz zu verhandeln, danach andere, um über das Schicksal und den eventuellen Freikauf gewisser namentlich genannter Adliger zu sprechen, die der Sultan angeblich gefangen hält, denen aber weder ben Hadou noch ich je begegnet sind. Wahrscheinlich sind sie entweder tot oder untergetaucht, vielleicht aber auch zum mohammedanischen Glauben konvertiert und haben inzwischen muselmanische Namen.
    Erst bei einer Privataudienz in seinen königlichen Gemächern sollen wir ihn erneut treffen. Ob jetzt meine Zeit gekommen ist? Ich stecke die bestickte Schriftrolle in die Tasche meiner Robe, falls sich in einer ruhigen Minute die Gelegenheit bieten sollte. Ben Hadou putzt sich nervös vor einem Spiegel heraus, um den bestmöglichen Eindruck zu hinterlassen. Und ich muss zugeben, dass er tatsächlich ein gut aussehender Mann ist. Er ist schmal und hat – im Vergleich zu mir – eine helle Hautfarbe, eine aufrechte Haltung und intelligente Augen. Bart und Schnurrbart sind kurz geschnitten, sodass sein markanter Kiefer und der volle Mund besser zur Geltung kommen. Ich habe bereits gesehen, wie die Damen am Hof sich nach ihm umblicken, und ihm ist es gewiss auch nicht entgangen. Jetzt ist der Augenblick gekommen, unsere Gastgeschenke zu überreichen. Man hat die diversen Objekte in die untere Eingangshalle gebracht, von wo sie nun unter größten Anstrengungen – und im Fall der lebendigen Tiere einigem Chaos – die lange Treppe hinaufgeschleppt werden. Die Löwen zumindest lässt man in ihren Käfigen draußen im Garten, damit der Herrscher sie ansehen kann, wann es ihm beliebt, sonst käme es womöglich noch zu einem Blutbad.
    Es stellt sich heraus, dass die sogenannte »Privataudienz« in einem riesigen, mit dem gesamten Hofstaat vollgestopften Saal stattfindet, darunter auch Hofdamen, die sich neugierig an den Seiten drängen, um einen Blick auf die marokkanische Gesandtschaft zu erhaschen. Zuerst übergeben wir die üblichen Geschenke, Gewürze, Salz, Zucker, Seide, Wandleuchter aus Messing, Laternen aus gestanztem Eisen, handgewebte Teppiche aus dem Mittleren Atlas, die der Sultan als Tribut von den Berberstämmen erhalten hat. Der englische König nimmt alles mit aufrichtiger Dankbarkeit entgegen und lobt die Handwerkskunst der Stammesfrauen. Ich sehe, wie al-Attars Brust vor Stolz anschwillt, trotzdem habe ich irgendwie ein mulmiges Gefühl. Abgesehen von den kleinen Hunden des Königs habe ich noch keine Tiere in den Räumen dieses eleganten Schlosses mit seinen Dienern in Livree, den vergoldeten Stühlen und den kostbaren Teppichen gesehen …
    »Und nun noch etwas ganz Besonderes«, tönt ben Hadou und klatscht in die Hände, woraufhin die Strauße sich an ihren Wärtern vorbeidrängen und in den Saal getrampelt kommen, wo sie mit den Schnäbeln bösartig nach den Anwesenden schnappen. Als eine Dame in einem grünen Seidenkleid, die zu nahe am Geschehen ist, von einem der Tiere gebissen wird und in Panik aufschreit, stürmt die aufgeschreckte Straußenherde durch den Saal, wobei ihre behaarten Hälse in alarmierender Weise aufgebläht sind. Sie schlagen wild mit den Flügeln und stampfen mit den großen Krallenfüßen auf. Panik bricht aus. Die Höflinge flüchten durch die erstbeste Tür, die sie finden. Ich kann sogar sehen, wie einer einen Vorhang

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