Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
»Hier werdet Ihr das Elixier des Lebens bestimmt nicht finden! Wenn Ihr aber wissenschaftliche Wunder sehen wollt, dann solltet Ihr zu einem unserer Treffen kommen.«
»Treffen?«
»In der Royal Society, Sir. Früher auch als Invisible College bekannt. Dort gibt es Männer, die alle möglichen Wunder vorführen.«
Am nächsten Tag bringt uns ein Lakai eine weitere Einladung. Ich ertappe mich bei der närrischen Hoffnung, sie gelte einem von Mr. Pepys’ Treffen, doch nein. Es ist ein viel bedeutenderer Anlass, und zwar ein nachmittägliches Musikkonzert in den königlichen Gemächern.
Kaum haben wir den Saal betreten, da durchfährt mich ein Schreck, als ich Momo und Jacob erkenne, beide in eleganten Kostümen aus goldener Spitze, und zwischen ihnen glänzt die Herzogin von Portsmouth mit ihrem cremeweißen Kleid, weißen Perlen, das Haar mit Goldstaub gepudert. Wie ein Gemälde, das alle Blicke auf sich zieht. Und dann entdecke ich auch noch Rafik, doch der ist so sehr damit beschäftigt, die Pracht des Saals zu bewundern, dass er zum Glück nicht merkt, wie Momo mich schelmisch angrinst.
Der König ist spät dran, dann kommt er mit Nelly an einem Arm und einer majestätischen Frau mit eindrucksvollen Zügen an dem anderen. Hinter ihr geht ein schwarzer Mann mit den Narben seines Stammes auf den kantigen Wangen. Das also müssen Mustafa und seine Herrin sein, die Herzogin Mazarin. Ihr Blick schweift träge über mich hinweg, und als sie an mir vorbeirauscht, verziehen sich die Mundwinkel zu einem halben Lächeln.
Die Musik ist wundervoll. Sie kombiniert eine bewegende Auswahl von Saiteninstrumenten mit einem Cembalo, dessen tiefer Bass bis in mein Brustbein nachhallt. Und als die Kastraten einstimmen, fühle ich mich wie am Tag zuvor in der Westminster Abbey. Als löste sich mein Bewusstsein aus dem Körper. Ohne dass ich etwas dagegen tun kann, füllen sich meine Augen erneut mit Tränen. Doch als ich mich umsehe, stelle ich fest, dass alle anderen Gäste aus dem marokkanischen Kontingent fein herausgeputzt, aber steif auf ihren Plätzen sitzen und sich Mühe geben, nicht allzu unbehaglich oder gelangweilt auszusehen. Manche englischen Höflinge, und das ist noch schlimmer, unterhalten sich sogar. Ein solches Benehmen wäre an Ismails Hof undenkbar: Der Sultan würde Zeter und Mordio schreien, Köpfe würden rollen.
Schließlich endet das Konzert, es folgt höflicher Beifall. Der Cembalist, ein junger Mann mit ernster Ausstrahlung, steht auf und verbeugt sich, offensichtlich ist er der Autor des Werkes.
»Bravo, Henry!«, schreit Mr. Pepys. »Ein weiterer Erfolg!«
Während wir alle langsam hinausströmen, zupft mich ein Lakai am Ärmel. »Der König wünscht Euch zu sprechen, Sir.«
Ben Hadou dreht sich um, seine Augen funkeln. »Ich glaube, ich bin gemeint, der Gesandte bin ich, er ist nur mein Schreiber.«
»Nein, Sir, der König möchte den großen, schwarzen Mann sprechen.«
Al-Attar starrt mich an. »Ich kann mir nicht vorstellen, was er mit dir zu besprechen hat, aber ich werde es schon herausfinden.«
Wir werden zum König gebracht, und ich schaffe es, mich nicht vor ihm niederzuwerfen, denn mittlerweile weiß ich, dass die Sitten hier nicht so streng sind wie die am Hof von Meknès. Der König lässt seinen Blick ohne großes Interesse an ben Hadou vorbeischweifen und sieht mich an. »Hat Euch die Musik gefallen, Sir?«
Obwohl nicht er gemeint ist, antwortet der Gesandte hastig: »Herrlich, Eure Majestät, es war unbeschreiblich.« Er lügt, ich weiß es, denn an Musik hat er keinerlei Interesse.
Der König lässt mich die ganze Zeit nicht aus den Augen. Er wirkt belustigt. Plötzlich stellt er sich zwischen uns und fasst mich am Ellbogen. »Spielt Ihr ein Instrument?«
Ich erstarre. Für diese Brüskierung wird mir al-Attar das Fell über die Ohren ziehen lassen. Doch was soll ich tun? »Ein bisschen Gitarre, Sire, und die Oud – das ist eine arabische Laute.«
»Dann werden wir uns großartig amüsieren.« Er winkt den Cembalisten herbei. »Mr. Purcell, kommt mit. Und auch Ihr, Mr. Pepys. Mr. James, sucht Eure besten Geigenspieler aus und folgt uns in den Musikraum!« Schließlich wendet er sich mir zu und grinst wie ein kleiner Junge. »Kommt, Sir, wir wollen ein bisschen Lärm machen! Ich habe Euch in der Abtei beobachtet. Bei Gott, noch nie habe ich einen Menschen gesehen, der so von der Musik ergriffen war.«
Der König ist ein Mann von ungeheurer Energie. Man spürt sie fast
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