Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
Lebens, die simple Logik eines Lebens, in dem es kein Brot zum Frühstück gäbe, wenn ich mich nicht bei Sonnenaufgang in Bewegung setzte, um Judith und Els in der Küche zu helfen. Wenn ich im Mai keine Setzlinge pflanzte, hätte ich im September keine Bohnen; wenn ich einen zerrissenen Unterrock nicht stopfte, sobald ich den Riss bemerkte, würde er im Nu zu nichts anderem mehr taugen als zu einem Putzlumpen. Wie wir es schafften, die Fassade eines vornehmen Lebens aufrechtzuerhalten, weiß ich auch nicht, aber ich glaube, niemandem war das Ausmaß unserer finanziellen Schwierigkeiten bewusst. Jeden Abend ging ich in der befriedigenden Gewissheit zu Bett, dass alles gut geordnet war, und nur im Schlaf blieben meine Hände untätig.
Jetzt, da ich in dieser kleinen Kajüte liege, geht mein Bewusstsein auf Wanderschaft. Ich denke über die Identität unserer Entführer nach und frage mich, ob wir durch die Säulen des Herakles ins Mittelmeer fahren, zu den Sklavenzentren von Algier oder Tunis oder gar noch weiter nach Osten, zum Großen Sultan in Konstantinopel.
Nach kaum einer Woche wird meine Neugier befriedigt.
Als wir schließlich in einen Hafen einfahren und von Bord getrieben werden, stehe ich mit Tränen in den Augen am Ufer. Meine Augen haben sich an die Dunkelheit gewöhnt, und das Licht an diesem neuen Ort ist grell. Vom Schiff aus bringt man mich auf einem Maultier durch schmale Gassen, vorbei an Unmengen von dunkelhäutigen Männern mit Turbanen oder in langen Gewändern mit spitzen Kapuzen, die uns vorbeiziehen lassen. Die meisten sind stumm, einige schleudern uns in ihrer fremdartigen, gutturalen Sprache Beschimpfungen oder Segenswünsche entgegen. Wir überholen klapperdürre Esel mit hervorstehenden Rippen, dunkelhäutige Kinder und Frauen, die von Kopf bis Fuß verhüllt sind – der Traum jedes Tuchhändlers. Am Ende halten wir vor einem hohen, weißen Haus, das kein einziges Fenster, dafür aber eine breite, mit Nägeln beschlagene Tür hat. Dort werde ich zu einem halben Dutzend anderer Frauen in einen Raum gesperrt. Keine von ihnen spricht Englisch, eine jedoch, Saar, ein bisschen Niederländisch. Sie erzählt mir, dass sie und die anderen Frauen aus spanischen oder portugiesischen Dörfern entführt wurden.
Alle sind mindestens zehn Jahre jünger als ich, doch ihre Gesichter sind von der Sonne gegerbt und von tiefen Falten gezeichnet. Junge Frauen, die am Kai und an den Hafenmauern saßen und Netze flickten oder Sardinen in Fässern mit Salz einlegten. Sie sind zäh und pragmatisch: In ihren Familien wurde nicht über Liebe oder den Adel gesprochen, und deshalb machen sie sich auch keine Illusionen darüber, was uns erwartet. Sie scheinen sich mit ihrem Schicksal abgefunden zu haben.
»Überleg doch mal, was haben wir alle gemeinsam?«, fragt Saar.
»Wir sind Frauen.«
»Und was noch?«
Ich brauche nicht lange, um dahinterzukommen, was sie meint. »Unverheiratet.«
»Jungfrauen, genau. Das macht uns so kostbar.«
Es gibt nur einen Grund, warum ein intaktes Hymen eine Frau zu einer wertvollen Ware machen kann. Ich beiße die Zähne zusammen. »Nun, das bedeutet zumindest, dass sie ihr Kapital werden schützen wollen, bis wir verkauft werden.«
»Es ist schlimmer als das«, sagt eine, die sich Constanza nennt.
Was kann noch schlimmer sein?
»Sie sind Muselmanen, sie werden uns zwingen, zum Islam überzutreten.«
Ich starre sie ungläubig an. »Das werde ich niemals tun.«
»Das sagst du jetzt.«
Eine beleibte Frau in Landestracht kommt herein und schwirrt um uns herum. Sie inspiziert unsere Hände und Zähne, als wären wir Vieh. Als sie auf mich zutritt, grinst sie und befühlt mein Haar. Dann sagt sie klar und deutlich auf Niederländisch: »Was für ein Schmuckstück! Mit der hier wird er sehr zufrieden sein.«
Ich antworte in derselben Sprache, was sie überrascht. Sie erzählt mir, dass sie Yasmin heißt und ihre Mutter »früher Niederländerin war«, was immer das heißt. »Du siehst gar nicht niederländisch aus«, sage ich mit einem Blick auf ihre olivbraune Haut und das dunkle, drahtige Haar.
»Ich komme mehr nach meinem Vater. Meine Mutter hat viele Jahre für Sidi Qasem gearbeitet. Sie kam mit ihrem Mann, einem abtrünnigen Seefahrer, der sich dann hier der Korsarenflotte anschloss, aus Amsterdam. Er starb in einer Seeschlacht bei Gibraltar, sie konvertierte und heiratete einen Mann von hier, einen Berber aus dem Rif-Gebirge.«
»Scheint ja eine sehr weltbürgerliche
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