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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson
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sie. Sie sind kaum mehr als Kinder. Trotz ihres mürrischen und störrischen Charakters haben sie es nicht verdient, so jung zu sterben. Die Armen, sie fangen gerade erst an, sind noch voller Träume, so wie ich in ihrem Alter – Träume von jungen Männern, Hochzeit, Babys und Lachen. Sie haben den größten Teil der Reise damit verbracht, zu kichern und der Mannschaft schöne Augen zu machen; doch jetzt liegen viele der hübschen jungen Burschen tot auf dem Deck unseres Schiffes oder in Ketten an Bord desjenigen, auf dem wir uns jetzt befinden.
    »Glaubt Ihr, dass sie uns Gewalt antun?«, fragt mich Anouk mit aufgerissenen Augen.
    »Das will ich nicht hoffen.« Mehr kann ich ehrlich nicht sagen.
    Und doch hat ein Mann mich an der Brust gepackt, als sie uns von dem anderen Boot geschafft haben. Ich war dermaßen überrascht, dass ich nicht einmal auf die Idee kam zu schreien, sondern nur nach seiner Hand griff und sie beiseiteschob. Ein unmissverständlicher Ausdruck von Scham flog über sein Gesicht. Er senkte den Kopf und murmelte etwas in seiner fremden Sprache, was ich für eine Entschuldigung hielt, obwohl sie nicht zu der Rücksichtslosigkeit passte, mit der sie unser Schiff geentert hatten.
    Aber es dauert nicht lange, bis wir merken, dass wir eine weit kostbarere Ware sind als die Stoffballen im Laderaum des Schiffes. Die beiden Mulattinnen, die dem toten Kapitän als Köchinnen dienten – und wahrscheinlich auch als Gespielinnen –, verdrehen die Augen. »Sklavinnen«, sagt die eine, und die andere antwortet: »Schon wieder.«
    Ich hielt die Sklaverei schon immer für etwas Abscheuliches. Die Vorstellung, einen Menschen zu besitzen wie ein Möbelstück, finde ich moralisch dermaßen verwerflich, dass ich mich weigerte, zu Hause welche zu halten. Mutter hat mich für diese mangelnde ökonomische Einsicht getadelt: Amsterdam ist die Hauptstadt des Sklavenhandels in Europa, und für uns waren Sklaven stets ein Schnäppchen. Doch nach Vaters Tod führte ich die Bücher, und in dieser Frage ließ ich mich nicht beirren. Sie beschwerte sich bitterlich, weil sie nun keine Schar von schwarzen Knaben mehr in exotische Kostüme stecken und sich mit ihnen schmücken konnte, wenn ihre entsetzlichen Freundinnen sie mit ihrem eigenen bedauernswerten Gefolge besuchten. Doch zu meiner Schande hätte ich mir nie träumen lassen, dass auch Weiße als Sklaven verkauft werden könnten, am allerwenigsten ich selbst.
    Ich habe von Sklavenschiffen gehört, von kranken, mit Ketten gefesselten Männern, die unter Deck in ihrem eigenen Dreck schmachteten, von mehr Leichen, die man unterwegs über Bord warf, als Überlebenden, wenn das Schiff sein Ziel erreichte, doch wie es aussieht, wird das nicht mein Schicksal sein. Man führt mich zu einer kleinen Kajüte, die zwar beengt und schmutzig ist, mir aber zumindest ein gewisses Maß an Privatsphäre und Würde erlaubt. Dort liege ich im Dunkeln und denke darüber nach, was gewesen wäre, wenn unser Schiff England erreicht hätte. Nach der Hochzeit hätte ich mit meinem Mann, Mr. Burke, in seinem neu erbauten Haus an Londons Golden Square gewohnt – ein Platz, der nach Magie klingt, den ich jedoch nie gesehen habe und nun wahrscheinlich auch nie mehr sehen werde.
    Ich kenne Mr. Burke nicht. Die Verbindung wurde zwischen unseren Familien ausgehandelt, wenngleich ich fürchte, dass es nicht die Allianz gewesen sein dürfte, die sich meine Mutter erhofft hatte. Sie hatte grandiose Träume, erzählte mir, dass ich in ein Adelsgeschlecht einheiraten werde und auf diese Weise das Vermögen wettmachen könnte, das mein Vater verspielte, als er beim Ausbruch des Englischen Bürgerkriegs vor den Parlamentariern in die Niederlande floh. Warum sie ihn geheiratet hatte, weiß ich nicht, denn mir war schon als Kind klar, dass sie sich nicht viel aus ihm machte. Auch sie war eine émigrée , Tochter einer Familie, die am Rande des Hofes lebte und mit den Reichen und Berühmten verkehrte, ohne über die entsprechenden Mittel zu verfügen. Ich glaube, es hatte einen Skandal gegeben, und in der Folge heiratete sie meinen Vater.
    Während meiner ganzen Jugend hat man mich mit immer größerer Verzweiflung einer Reihe von adeligen Gästen angedient, doch als König Karl wieder im Amt war, gab es genügend hübschere Mädchen, beträchtlich größere Vermögen und bessere Familien in England, um den Heiratsmarkt zu versorgen, und so verwandelte sich meine Mutter immer mehr in eine enttäuschte Frau.

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