Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
Holzschuh beiseite.
Ein breites Grinsen will sich in meinem Gesicht ausbreiten, doch ich denke an meine kponyungu -Maske und unterdrücke das Bedürfnis.
»Sie müssen dem toten Herrn gehören.« Ich breite entschuldigend die Arme aus. »Ist das alles, Sidi? Ich habe zu tun.«
Der erste Beamte sieht mich reglos an, dann gleitet sein Blick an mir vorbei. »Hast du alleinigen Zugang zum Garten?«
»Andere benutzen ihn ebenfalls«, sage ich vorsichtig, doch sie sind schon unterwegs.
Der Regen hat alle Spuren von Blut aus dem Brunnen gespült, das weiße Marmorbecken strahlt vor Sauberkeit. Sie gehen eine Weile in dem geschlossenen Hof hin und her, während ich an die Tür gelehnt warte. Hinter mir unterhalten sich Hassan und der andere Wächter über eine Frau, die einer von beiden in der mellah gesehen hat. Da es das jüdische Viertel ist, gehen die Balkone zur Straße hinaus; sie trug keinen Schleier und war offensichtlich eine Schönheit. Die Wachen der äußeren Höfe sind nicht immer kastriert, es sei denn, sie wollen sich an die inneren Höfe versetzen lassen. Ihre Sprüche sind ziemlich derb.
»Sind das deine, Sidi?«
Er hält die blutverschmierten babouches aus Fès in der Hand, die ich da draußen vergraben habe. Man spürt förmlich, wie er vor lauter Triumph kocht. Als spielte er eine Rolle in einem Theaterstück, entrollt er den blutigen Fußabdruck und stellt den rechten babouche darauf. Natürlich passt er perfekt.
»Was hast du dazu zu sagen?«
Ruhig, Nus-Nus. Ruhig. Lieber schweige ich, als etwas zu sagen, das mich noch weiter belastet.
»Zieh deine babouches aus«, sagt er, und als ich seinen Befehl befolgt habe, deutet er auf die ruinierten Schluffen.
Das Blut ist getrocknet und bildet eine Kruste auf dem Leder. Sie waren immer etwas eng, und ich bete, dass sie jetzt noch enger geworden sind, aber die hinterhältigen Dinger passen, wenn auch knapp.
Inzwischen ist der Beamte seiner Sache vollkommen sicher. Er holt die weggeworfenen Holzschuhe zurück und stellt sie vor mir auf den Boden. »Jetzt zieh die Holzschuhe darüber.«
Das mache ich. Natürlich passen sie wie angegossen. Ich bin verloren.
»Hofbeamter Nus-Nus …«, erklärt er mit übertriebener Genugtuung, dann hält er inne. »Hast du noch einen anderen Namen?«
Ich schüttele den Kopf: keinen, den ich jemandem wie ihm verraten würde.
»Hofbeamter Nus-Nus, in Anwesenheit der Wächter als Zeugen verhaften wir dich unter dem Verdacht, den Kräuterhändler Sidi Hamid Kabour ermordet zu haben.«
»Nicht mich solltet ihr verhaften: Jemand war bei Sidi Kabour, als ich dort hinkam, ein hinterhältiger junger Mensch mit schmalem Gesicht und einem Akzent aus dem Süden. Er war noch da, als ich wieder ging und der Kräuterhändler noch lebte. Das ist der Mann, der ihn getötet haben muss, nicht ich!«
Der jüngere Beamte grinst abschätzig. »Rechtfertigungen eines Verzweifelten. Der Mann, von dem du sprichst, ist ein Herr von untadeligem Ruf, der dem qadi gut bekannt ist. Er kam zu uns, sobald er von Sidi Kabours Tod hörte, und war uns bei den Ermittlungen äußerst behilflich.«
»Er behauptet, du seist noch im Laden gewesen, als er ging«, erklärt der ältere Beamte. An seinem Ton erkenne ich, dass er mir mittlerweile kein Wort mehr glaubt. Sie fesseln mir die Hände und führen mich ab.
TEIL ZWEI
SECHS
2. Mai 1677
M ein Name ist Alys Swann, ich bin neunundzwanzig Jahre alt.«
»Nein, ich habe keine Kinder, ich war nie verheiratet.«
»Ja, ich bin noch Jungfrau.«
Ich beantworte ihre Fragen mit erhobenem Haupt, denn ich schäme mich meines Standes nicht. So schaue ich dem fremden Piraten mit allem Mut ins Auge, den ich aufbringen kann, und spreche laut und deutlich. Unter anderen Umständen hätten einige der Anwesenden vielleicht verächtlich gekichert, doch da wir in der Angst um unser Leben vereint sind, haben sie Wichtigeres im Sinn als meine Ehelosigkeit oder lange bewahrte Jungfräulichkeit.
Der Schreiber meines Entführers nimmt diese Details in seinen Bericht auf. Seine Handschrift verläuft von rechts nach links. Das, seine dunkle Hautfarbe, das Tuch, das er um den Kopf gewickelt hat, alles spricht meiner Ansicht nach dafür, dass wir von Türken geentert wurden. Anouk und Marika, meine phlegmatischen Zofen, zwei Schwestern, die eingestellt wurden, um mich auf der Reise von Scheveningen nach England zu begleiten, stehen schniefend und schluchzend hinter mir. Einen Augenblick lang empfinde ich Mitgefühl für
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