Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
Jäger, der eine Beute wittert.
Nach einer Zeit, die mir endlos vorkommt, obwohl sie vielleicht nur zwei Stunden gedauert hat, halten wir an.
»Sind wir schon da?«, fragt die junge Frau, die mir gegenübersitzt.
»Du bist Engländerin!«, rufe ich. Es klingt beinahe wie eine Anschuldigung.
Doch es ist die andere, die mir antwortet. »Irin. Wir kommen aus Irland, nicht aus England. Wir sind Schwestern, Theresa und Cecilia: Schwestern aus Ringaskiddy, aber es gibt nicht viele, die wissen, wo das ist, deshalb sage ich immer nur Cork.«
Was das Spiel mit den eingebildeten Rosenkranzperlen erklärt. Meine Mutter war eine glühende Gegnerin des Katholizismus und machte die französische Frau des alten Königs für seinen Untergang und damit auch den unserer Familie verantwortlich. Als sein Sohn eine portugiesische Katholikin heiratete, tobte sie.
Ich spähe durch eine Ritze im Vorhang. »Wir sind in einem Wald.«
Sie beruhigen sich deutlich. »Heilige Maria, wir danken dir. Cecilia und ich haben geschworen, Märtyrerinnen zu sein wie die heilige Julia und die heilige Eulalia.« Cecilia bricht in lautes Schluchzen aus. Theresa tätschelt ihren Arm. »Schon gut, du wirst die heilige Julia und ich Eulalia.« Sie dreht sich zu mir um. »Die heilige Eulalia weigerte sich, ihrem Glauben abzuschwören. Man hat ihr die Brüste abgeschnitten.«
Theresas Schluchzen steigert sich zu einem Heulen.
»Man hat sie in ein Fass mit Glasscherben gesteckt und einen Berg hinabgerollt, jawohl, das hat es gegeben. Aber nicht einmal das konnte sie von ihrem Glauben abkehren. Daraufhin zerrissen ihr zwei Henker mit eisernen Kämmen den Leib und hielten Fackeln an die Wunden, bis sie im Rauch das Bewusstsein verlor. Am Ende wurde sie ans Kreuz geschlagen und enthauptet. Eine Taube flog aus ihrem Hals; es war ein Wunder.« Ihre Augen blitzen in fanatischer Inbrunst. »Sie war erst zwölf Jahre alt. Theresa und ich haben unsere Jungfräulichkeit der Jungfrau Maria geweiht. Wir werden die heilige Cecilia und die heilige Theresa von Ringaskiddy. Junge Mädchen aus ganz Irland werden zu uns beten.«
Ich finde nicht, dass dies ein Trost für einen so gewaltsamen Tod sein kann, doch die Sehnsucht nach einem Märtyrertod ist der protestantischen Religion auch völlig fremd. »Ich beneide euch um eure Gewissheit«, sage ich sanft. Und das ist nicht gelogen. Wird mein Glaube mich sicher durch die vor mir liegenden Prüfungen tragen?
Plötzlich öffnet sich ächzend die Tür der Kutsche, und ein Mann späht herein. Cecilia unterdrückt einen Aufschrei.
»Sidi Qasem.«
Ich verneige mich.
»Miss Swann. Wir machen hier eine kurze Rast.«
Während sich die beiden irischen Frauen in ein dichtes Gebüsch verziehen, sehe ich in weiter Ferne eine lange Reihe von Männern über einen Waldweg auf uns zukommen. Der Aufseher der Gefangenen reitet auf uns zu, um Sidi Qasem zu begrüßen. Er beugt sich im Sattel herab, ergreift die ausgestreckte Hand des alten Mannes und küsst sie. Offensichtlich herrscht selbst unter Sklavenhändlern eine gewisse Hierarchie.
Cecilia und Theresa stampfen geräuschvoll durchs Unterholz und bleiben neben mir stehen. Während sie Kletten und Grassamen von ihren Kleidern klopfen, lassen sie die Männer nicht aus den Augen. »Heilige Maria.« Cecilia bekreuzigt sich. »Sie sehen aus, als wären sie halb verhungert.«
Die Schwestern flüchten sich in die Sicherheit der Kutsche, doch ich kann den Blick nicht abwenden. Man hat ihnen mit Stricken die Hände gefesselt und ihre Fußgelenke mit Gewichten beschwert, um sie an einer möglichen Flucht zu hindern. Bei jeder Bewegung scheuert das Eisen gegen die Haut, sodass sie beim Gehen schlurfen, um die Verletzungen so gering wie möglich zu halten. Viele tragen keine Hemden und haben von der Sonne verbrannte Schultern. Ihre Rippen stehen so deutlich hervor wie die eines Bootswracks, und als sie vorbei sind, sehe ich, dass einige von ihnen rötliche Striemen auf dem Rücken haben.
Ich schäme mich, sie mit einem gut gefüllten Magen und in Seide gehüllt zu beobachten. Ihre Gesichter sind düster und hoffnungslos. Jeder dieser Männer ist in seiner eigenen Hölle gefangen, bis auf einen. Er wendet mir den Kopf zu, als die Reihe an der Kutsche vorbeizieht. Er ist hochgewachsen, hat helle Haut, ein Anflug von Bart zeigt sich als blonder Flaum. Schockiert begreife ich, dass er kaum mehr als ein Junge ist. »Betet für uns, Mylady«, sagt er in einer Sprache nach der anderen, bis der
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