Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
nahm, und machte ihr deswegen nur selten Vorhaltungen.
»Er bedeutet Ärger«, fuhr sie fort. »Man sieht es an seinem Gang. Lauft ihm nach; sagt ihm, dass Ihr Eure Meinung geändert habt.«
Ich wusste, dass sie recht hatte, trotzdem brachte ich sie zum Schweigen. Ein externes Gewissen zu haben ist unangenehm.
Er kam am nächsten Tag, am übernächsten und am überübernächsten, drei selige Wochen lang, und ich saß ihm auf einem Stuhl im Garten Modell. »Dort ist das Licht besser für Euch«, sagte er, doch in Wirklichkeit meinte er: Im ganzen Haus steht kein einziges Möbelstück, und Ihr werdet Euch meine Motive denken können.
Er stellte seine Staffelei zwischen die Bohnenstangen und trampelte über meine Setzlinge, aber ich beschwerte mich nicht. Ich fand es berauschend, ein Porträt von mir anfertigen zu lassen. Er wusste, wie man mit unsicheren Modellen umgehen muss, und hatte eine Art, mir zu schmeicheln, bei der ich einfach dahinschmolz. Da ich unerfahren war, nahm ich jedes Kompliment für bare Münze. Nacht für Nacht lag ich in meinem schmalen Bett und dachte an seine süßen Worte. Dass ein so attraktiver Mann mein Gesicht bis ins winzigste Detail studierte, selbst wenn ich ihn dafür bezahlte, war eine überwältigende Erfahrung für eine unverheiratete Vierundzwanzigjährige wie mich, die sich selbst nie eines Blickes für würdig gehalten hätte. Jede Berührung des Pinsels auf der Leinwand fühlte sich an wie eine Liebkosung, und mit jedem Pinselstrich fühlte ich meine Schönheit wachsen. Ich träumte von einem Leben mit ihm, von den Kindern, die wir haben würden. Und plötzlich wollte ich nichts mehr auf der Welt als Kinder von ihm. Bislang hatte ich nie daran gedacht, ein Kind zu haben, doch jetzt plagte mich diese Vorstellung wie eine Krankheit.
Bildete ich mir etwa ein, während dieser friedlichen Stunden eine Art stummen Zauber auf ihn auszuüben? Je mehr ich mich in ihn verliebte, umso sicherer war ich, dass er meine Gefühle erwiderte. Ich registrierte es daran, wie er den Kopf neigte, wie seine Mundwinkel zuckten, wie er nach der Sitzung noch ein wenig länger blieb, um ein Glas gezuckertes Zitronenwasser oder einen der kleinen Kuchen anzunehmen, die ich mit verschwenderischer Sorgfalt jeden Tag für ihn buk.
Er weigerte sich, mir sein Werk zu zeigen, solange er noch daran arbeitete, doch als es sich der Vollendung näherte, war ich längst von dem überzeugt, was seine geschickten Hände in unsterblichem Öl auf die Leinwand zaubern würden. Deshalb dachte ich zuerst, dass er mir einen Streich spielen wollte, als er mir das fertige Gemälde zeigte, dass er mein Bild gegen das einer anderen Frau ausgetauscht hatte. Sie wirkte nichts sagend und stumpfsinnig mit ihrem vernünftigerweise hochgeschlossenen Kleid, der gestärkten weißen Haube und einem ebensolchen Kragen … Ihre Augen, leicht zusammengekniffen gegen das helle Licht im Garten, gingen in den weißen Flächen der Haut unter, die Nase war gebogen wie der Schnabel eines Vogels, der Mund fest zusammengepresst. Sie sah aus wie eine strenge, puritanische Jungfrau, nicht wie die Tochter eines englischen Royalisten, die sich nach einem französischen Künstler verzehrte und davon träumte, dass er ihr die Kleider vom Leib riss und sie zwischen dicken Bohnen und Rettich entehrte.
Ich schluckte meine Enttäuschung hinunter, bezahlte ihn und verabschiedete mich. Er hatte drei Wochen lang vier Stunden pro Tag in meiner Gegenwart verbracht; jetzt nahm er das Geld und war innerhalb von fünf Minuten verschwunden, ohne sich ein einziges Mal umzublicken. Ich sah ihn nie wieder.
Lange und aufmerksam betrachtete ich das Bild. Dann verbrannte ich es. Heute trage ich es als Abbild dessen in mir, was ich bin – und das hat nichts mit der Frau zu tun, die mir aus Lalla Zahras Spiegel entgegenblickt. Das ist die Frau, die Laurent hätte zeichnen müssen, dieses exotische kleine Biest mit strahlendem Teint und losem Haar, dessen Augen genauso türkis leuchten wie die Seide. Diese Frau hätte ihn vielleicht erobert, so wie ich es mir damals erträumte.
Ich werfe meinem Spiegelbild ein schräges Lächeln zu. Macht nichts, dass es nicht so kam, schießt es mir durch den Kopf.
Lalla Zahra missdeutet meinen Ausdruck als Zeichen von Selbstzufriedenheit. »Siehst du, Alys. Du wirst eine feine Kurtisane sein. Der Kaftan steht dir.«
Doch als ich mir das Gewand herunterreiße, es ihr vor die Füße werfe und in Tränen ausbreche, versteht sie gar
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